Ein proppenvolles Veranstaltungszelt in Chênée. 400 Ehrengäste, allen voran das Königspaar, lauschen fast andächtig einer Jacques-Brel-Interpretation der Vervierser Sopranistin Julie Mossay.
Eingeladen sind neben dem Königspaar und politischen Amtsträgern in erster Linie die Angehörigen der 39 Todesopfer, die die Jahrhundertflut vom 14. und 15. Juli gefordert hat. Und auch Vertreter von Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz nehmen an der Gedenkfeier teil.
"Die Zeremonie findet in Chênée statt, weil hier Weser und Ourthe zusammenfließen - die beiden Flüsse also, an deren Ufern die Katastrophe vor einem Jahr ihren Lauf nahm", erklärte der Lütticher Bürgermeister Willy Demeyer.
"Es gibt Tage, die das Leben prägen", sagte Premierminister Alexander De Croo. "Tage, die unsere Gewissheiten wegfegen, die unseren Blick auf die Welt grundlegend verändern. Der 14. Juli, das ist so ein Tag."
"Wir haben uns heute versammelt, um derer zu gedenken, die uns auf so dramatische Weise verlassen haben", fügte der wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo hinzu. "Und wir sind hier, um den Angehörigen unser Beileid auszusprechen."
Hommage an die Helden
Die Gedenkfeier war aber auch eine Hommage an die zahllosen Rettungskräfte und freiwilligen Helfer, die während bzw. nach der Katastrophe alles getan haben, um den Betroffenen zu helfen. "Man sagt, dass sich in den dunkelsten Momenten oft wahre Menschlichkeit offenbart", sagte Premier De Croo. "Vor einem Jahr, mitten in der schlimmsten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes, wurden Helden geboren."
Neben den Todesopfern gibt es dann aber noch die tausenden Menschen, die manchmal alles verloren haben. Ministerpräsident Di Rupo rief die dramatischen Zahlen noch einmal in Erinnerung: 209 der 262 wallonischen Gemeinden waren von dem Hochwasser betroffen, 45.000 Häuser und Wohnungen wurden beschädigt oder zerstört. Insgesamt waren - in unterschiedlichem Maße - 100.000 Menschen von der Katastrophe betroffen.
Dabei vergaß Di Rupo auch die Deutschsprachigen nicht: "Das Drama, das die Familien erleben, ist beispiellos", sagte der wallonische Ministerpräsident auf Deutsch. Eins der wenigen Male, in denen man Di Rupo hat Deutsch sprechen hören.
Ben und Rosa
Premierminister De Croo erinnerte seinerseits an die Worte von Victor Hugo. Der habe das Wesertal einst als "Paradies" bezeichnet. Nun, vor einem Jahr seien die Bewohner dieses "schönsten Tals der Welt" mit einem Mal in der Hölle gelandet. Und dann erzählte De Croo noch die tragische Geschichte von Ben und Rosa, die Ben auf Facebook geteilt hat.
Die beiden 14-Jährigen waren auf einem Jugendlager in Marcourt in der Provinz Luxemburg. Sie verliebten sich ineinander. Plötzlich kam die Flut. Das Wasser auf der Wiese stieg rasend schnell an. Irgendwann verschwand Rosa, mitgerissen von den Fluten. Ben stürzte ihr nach, bekam sie noch zu fassen - bis "das Monster" sie ihm doch entriss.
Ben sollte Rosa nie wiedersehen. Um seiner Trauer in etwas Positives umzuwandeln, gründete er eine Vereinigung, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben hat. "Damit wir endlich handeln", erklärte De Croo.
Insgesamt also eine sehr emotionale Trauerfeier, an deren Ende eine Schweigeminute eingehalten wurde. Den Abschluss bildete die Brabançonne.
Roger Pint