Die gute Nachricht vorneweg: Die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden in Belgien ist seit zehn Jahren mehr oder minder rückläufig. Und zwar sowohl für Unfälle mit Leichtverletzten, Schwerverletzten und Todesopfern. Mehr oder minder heißt, dass es 2021 einen leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahr gab, aber das ist wohl nicht weiter verwunderlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass 2020 die Corona-Pandemie zeitweise zu einer extremen Einschränkung der Bewegungen vieler Menschen geführt hat. Aber corona-bereinigt ist der Trend hin zu weniger Verkehrsopfern doch sehr eindeutig.
Dennoch sind auch 2021 in Belgien noch 516 Personen bei oder nach Verkehrsunfällen gestorben, es bleibt also noch viel Luft nach oben, um diese traurige Zahl weiter zu drücken.
"Vision Null" keine Illusion
Das Institut für Verkehrssicherheit Vias hebt bei der Vorstellung seiner jüngsten Zahlen aber auch noch eine weitere positive Entwicklung hervor. In über 300 der 581 belgischen Gemeinden, also in über der Hälfte, hat es im vergangenen Jahr keine Toten im Verkehr zu beklagen gegeben. 121 Gemeinden, also etwas mehr als ein Fünftel, kann sich sogar darüber freuen, in den letzten drei Jahren keine Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang gehabt zu haben. Das zeige, dass das Streben nach der "Vision Null", also nach null Verkehrstoten, keine Illusion sei, unterstrich Vias-Sprecher Stef Willems am Morgen bei Radio Eén.
Landesweit ist die Anzahl der Verkehrstoten in den letzten zehn Jahren um satte 37,6 Prozent gefallen. Am beeindruckendsten ist der Rückgang dabei in der Region Brüssel-Hauptstadt: 79,5 Prozent weniger Verkehrstote gab es hier von 2012 bis 2021. In der Wallonie waren es 47,2 Prozent weniger und in Flandern 24,9 Prozent.
Kelmis schneidet wallonieweit am besten ab
Neben dieser regionalen Rangliste kann man sich den Rückgang auf der Webseite von Vias aber sogar noch weiter aufschlüsseln lassen, sogar bis hinunter auf die Gemeindeebene. Und hier holt für den nördlichen Landesteil Nieuwpoort den Pokal für die stärkste Verringerung, in der Wallonie kann sich das ostbelgische Kelmis mit diesem Titel schmücken.
Man muss bei solchen Erhebungen auch immer die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen, räumt der Vias-Sprecher aber ein: Größere Städte hätten viel komplexere Verkehrsflüsse mit unterschiedlichen Arten von Verkehrsteilnehmern. Das mache es natürlich schwieriger, die "Vision Null" zu erreichen. Aber auch hier seien teilweise bedeutende Fortschritte gemacht worden.
Temporeduzierung
Und dafür gibt es laut Vias auch eindeutige Gründe: Mit einer Anzahl logischer Eingriffe auf lokaler Ebene könne die Anzahl der Verkehrsopfer beeinflusst werden. Beispielweise durch eine Senkung der Geschwindigkeit an den Stellen, an denen Fußgänger und Radfahrer in Kontakt kämen mit motorisiertem Verkehr. In den Gemeinden, die bei der Reduzierung der Verkehrsopfer am erfolgreichsten seien, sei die Geschwindigkeit im Dorf- beziehungsweise Stadtkern meist auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt.
Wie stark sich das auf Überlebenschancen eines Fußgängers bei einer Kollision mit einem Auto auswirkt, das führt Stef Willems am Freitag auch in der Zeitung Het Laatste Nieuws aus: Wenn das Auto mit 50 Kilometern pro Stunde unterwegs sei, dann sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Fußgänger den Zusammenstoß nicht überlebe, fünf bis sechs Mal höher als bei Tempo 30. Bei 40 Kilometern pro Stunde sei die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Ausgang noch immer doppelt so hoch wie mit zehn Kilometern weniger pro Stunde.
Hierbei sei es auch wichtig, dass die Bevölkerung verstehe, warum solche Maßnahmen getroffen würden und welche zusätzlichen Vorteile sie bedeuteten. Eine Temporeduzierung erhöhe nicht nur die Sicherheit, sondern reduziere auch die Lärmbelastung.
Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten: Lokale Behörden könnten den verletzlicheren Verkehrsteilnehmern auch mehr Platz zubilligen und so ihre Sicherheit erhöhen. Das kann beispielsweise bedeuten, breitere Radwege anzulegen auf stark befahrenen Strecken.
Und dann ist da noch ein weiterer, sehr logisch scheinender Punkt: die Durchsetzung existierender Regeln und Gesetze.
Boris Schmidt