"Nach zehn Tagen folgt der Kater", titelt am Dienstag die Zeitung Het Nieuwsblad. Und nein, hier geht es nicht etwa um die Folgen übermäßigen Konsums von Alkohol oder anderen Substanzen. Wobei ausgelassenes Feiern vielleicht auch eine Rolle gespielt haben mag. Nein, die Rede ist von Corona-Ansteckungen. Viele der Festivalbesucher berichten nämlich mittlerweile zum Beispiel in den Sozialen Medien, dass sie sich das Virus eingefangen haben oder haben könnten. Andere zeigen Screenshots von ihren Coronalert-Apps, auf denen gleich Dutzende von Risikokontakten zu sehen sind.
Ja, das könne er persönlich bestätigen, so auch der bekannte Virologe Marc Van Ranst am Dienstagmorgen in der VRT. Selbst unter den Personen, die er über sein Labor kenne, seien manche mit einer, wenn auch milden, Covid-Infektion vom Graspop zurückgekommen.
Nicht überraschend
Sonderlich beunruhigt ist der Virologe deswegen aber nicht. Das sei zunächst einmal nicht wirklich überraschend, so Van Ranst. Auf Festivals werde alles mögliche weitergegeben. Das sei schon seit Jahrzehnten so.
Die aktuellen Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 seien sehr ansteckend beziehungsweise leicht übertragbar, das sei noch ausgeprägter als bei den vorherigen Virusstämmen. Das habe unter anderem damit zu tun, dass sie sich schon relativ weit von dem Stamm wegentwickelt hätten, mit dem ursprünglich gegen Covid geimpft worden sei. Ein anderer Grund sei aber, dass die Konzentration der Antikörper nach einer Impfung beziehungsweise überstandenen Infektion nach und nach auch wieder abnehme.
Enger Kontakt
Und auf so einem typischen Festival findet das Virus dann wenig überraschend auch schon fast ideale Bedingungen vor, wie der Biostatistiker Geert Molenberghs unter anderem in Het Nieuwsblad hervorhebt: Je enger und länger man Kontakt mit zahlreichen Menschen habe, desto größer natürlich die Chance auf eine Übertragung.
Aber trotz dieser zunächst wenig erbaulichen Nachrichten scheinen die Gesundheitsexperten durch die Bank die Lage doch ziemlich entspannt zu sehen. Nein, ein Grund, die Festivalsaison abzubrechen oder stark einzuschränken, wie das im letzten Sommer noch der Fall war, sei das sicher nicht, so der Tenor.
Der aktuelle Kontext sei doch ein ganz anderer. Laut der Vorhersagemodelle rolle im Moment keine große Corona-Welle auf uns zu, versichert etwa der Sciensano-Virologe Steven Van Gucht. Hinzu kommt, dass die aktuellen Varianten zwar deutlich ansteckender, aber nicht krankmachender sind.
Ein gewisses Maß an Vorsicht ist jedoch sicher auch nicht verkehrt. Kranke Menschen sollten besser nicht auf Festivals gehen, so Marc Van Ranst. Das gelte auch, wenn man sich nur etwas kränklich fühle. Schön sei so eine Entscheidung zwar sicher nicht, aber immer noch besser als potenziell zu einem "Superspreader", einem "Superverbreiter" des Virus zu werden.
Wenig Bedenken
Eine elementare Vorsichtsmaßnahme ist also in jedem Fall angebracht. Allein schon aus Rücksicht auf beziehungsweise aus Solidarität mit den anderen Festivalbesuchern sei ein Corona-Selbsttest vor der Abreise eine gute Idee. Und eine noch bessere Idee sei ein zweiter Selbsttest nach dem Festival, um eventuelle Mitbringsel nicht mit Freunden, Kollegen oder der Familie zu teilen, so die Ergänzung Molenberghs.
Zu einem für alle sichereren Festivalsommer können aber auch die Veranstalter beitragen. Bei Events in Zelten könne auf eine bessere Belüftung als sonst üblich geachtet werden: Die Seitenwände wann auch immer möglich offen oder weggelassen werden.
Auch was Reise- und Urlaubspläne im Ausland angeht, hat Van Ranst keine sonderlichen Bedenken. Die Varianten, mit denen man es aktuell überall zu tun habe, seien die gleichen wie hierzulande.
Die Gefahr, eine andere, schlimmere Variante aus dem Urlaub zurückzubringen, sei nach aktuellem Stand also nicht gegeben. Das solle die Menschen nicht davon abhalten, den Sommer zu genießen und zu reisen, so die Einschätzung des Virologen.
Boris Schmidt