"Natürlich können wir eine solche Perspektive nicht gutheißen": Pierre Lejeune, der Vorsitzende der sozialistischen Gewerkschaft CGSP bei der Nationalen Eisenbahngesellschaft SNCB, redete in der RTBF nicht um den heißen Brei herum. Seine Antwort auf die Pläne der Direktion ist erstmal ein klares Nein.
Auf den ersten Blick mag das Ganze tatsächlich etwas verwegen klingen. Nach Informationen der Wirtschaftszeitung L'Echo sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre 2.000 Arbeitsplätze bei der Bahn abgebaut werden. Dabei soll niemand entlassen werden, vielmehr sollen Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen, schlicht und einfach nicht mehr ersetzt werden.
Die meisten dieser Stellenstreichungen entfallen auf die SNCB. Dort sollen fast 1.800 Jobs wegfallen. Parallel dazu sollen aber fast 700 neue Leute eingestellt werden. Man hört es schon: Zumindest teilweise wird man also neue Profile rekrutieren, die besser in die heutige Zeit passen.
Beim Schienennetzbetreiber Infrabel sollen derweil bis 2032 rund 900 Stellen abgebaut werden. Zählt man die Stellenstreichungen bei der SNCB hinzu, dann wird die Bahn in zehn Jahren rund 2.000 Mitarbeiter weniger haben als heute.
"Und das ist absurd", reagieren die Gewerkschaften. "Nehmen wir mal ein aktuelles Beispiel", sagt Pierre Lejeune von der CGSP: "Im April musste die SNCB 4.000 Züge streichen, weil das nötige Personal nicht zur Verfügung stand. Und jetzt sagt man uns, dass das Zugangebot in den nächsten Jahren noch um zehn Prozent erhöht werden soll. Das ist ganz einfach unrealistisch. Die Bahn braucht Personal, das liegt doch auf der Hand."
Weniger Bürojobs
Dem dürfte die Bahndirektion auch gar nicht widersprechen. Die knapp 700 Neueinstellungen, die bei der SNCB geplant sind, das sollen nämlich allesamt Lokführer und Zugbegleiter sein. Die rund 1.800 Jobs, die gestrichen werden sollen, die sind demgegenüber in der Verwaltung und im Management angesiedelt. Der föderale Mobilitätsminister Georges Gilkinet brachte es mit einer einfachen Formel auf den Punkt: Weniger Leute in den Büros, dafür mehr Leute in den Zügen.
Beim Schienennetzbetreiber Infrabel begründet man den Stellenabbau im Wesentlichen mit der laufenden Modernisierung der Infrastruktur. Um es da auch wieder mit einem einfachen Satz zu sagen: Ein neues Stellwerk erfordert weniger Unterhalt als ein altes.
Bei Infrabel will man in den nächsten Jahren zudem verstärkt nach neuen Profilen Ausschau halten: "Elektromechaniker, Ingenieure, und so weiter", sagte Sprecher Thomas Baeken in der VRT. "Im Moment suchen viele Unternehmen solche Leute. Und indem wir die Automatisierung vorantreiben, können wir uns mehr auf die Rekrutierung solcher Profile konzentrieren", sagt der Sprecher.
"Automatisierung, schön und gut", erwidert Ludo Sempels von der sozialistischen CGSP. "Nur wird man immer noch Leute brauchen, die diese Anlagen im Notfall auch bedienen können. Und das vergisst man natürlich."
Die Direktion wird in jedem Fall noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Immerhin ist von einem möglichen Streik aus Protest gegen die Zukunftspläne aktuell noch nicht die Rede.
Roger Pint