Das Musikfestival "We R Young" in Hasselt ist gedacht für junge Menschen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren. Eine erste Erfahrung eines Open-Air-Festivals für diese Altersgruppe soll die Veranstaltung sein. Die beste Erfahrung wird es wohl kaum gewesen sein. Denn um 18 Uhr am Mittwoch meldete sich ein Mädchen bei einem Erste-Hilfe-Stand. Dem Mädchen ging es schlecht, es wollte einen Einstich gespürt haben.
Die Nachricht breitete sich schnell aus. Plötzlich meldeten sich rund zwei Dutzend weiterer Festivalbesucher, die sich unwohl fühlten. Etwa die Hälfte von ihnen erzählte ebenfalls etwas von einem Einstich, den sie gespürt haben wollen. Die Veranstalter nahmen die Aussagen ernst, brachen das Festival ab. Die Jugendlichen, denen es nicht gut ging, wurden in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurden erste Blutproben untersucht. Alle Befunde waren zunächst negativ.
Vorschnelle Schlüsse wollte das Krankenhaus nicht ziehen, weitere Untersuchungen sollen mehr Klarheit bringen. Aber erste Zweifel waren gesät: Sind die jungen Menschen tatsächlich Opfer von "Needle Spiking" geworden? Als Beweis könnten auch die Einstichstellen der Nadel dienen. Aber solche Einstichstellen seien grundsätzlich schwer nachzuweisen, sagt Jos Vandekerkhof, medizinischer Leiter des Krankenhauses, in dem die Festivalbesucher untersucht worden sind, der VRT. Wenn keine Blutergüsse zu sehen sind, ist es schwer zu sagen, woher so ein angeblicher Einstich wirklich kommt.
Das, was von möglichen Opfern des "Needle Spiking" manchmal als Einstichstelle gezeigt wird, kann mitunter auch nur von einem Ast kommen oder ein Kratzer anderer Art sein. Weshalb Philippe Boxho, Leiter des rechtsmedizinischen Instituts in Lüttich, auch skeptisch ist, ob die angeblichen Opfer in Hasselt tatsächlich von einer Nadel gestochen worden sind. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige Personen überhaupt nicht gestochen worden sind, sondern nur den Eindruck gehabt haben, gestochen worden zu sein. Daraufhin haben sie dann eine Art Angstgefühl entwickelt, was durchaus nachvollziehbar ist", sagte er der RTBF.
Massenpanik
Wie es im Detail jetzt beim Festival in Hasselt aussieht, wird die Staatsanwaltschaft ermitteln. Fakt bleibt: Der Vorfall von Hasselt ist keine gute Neuigkeit für all die anderen Festivals, die in den kommenden Sommermonaten stattfinden sollen. Denn das Thema "Needle Spiking" ist jetzt in den Köpfen der Menschen präsent. "Das Risiko besteht darin, dass ausgehend von einem Fall - auch wenn der Stich nur eingebildet sein sollte - sich die Angst auf andere überträgt, ausbreitet und zu einer Massenpanik führt", sagt Philippe Boxho.
Ähnlich sieht das Krankenhausleiter Vandekerkhof. "Ein Stich kann Panik auslösen und wenn sich das dann auf die Umstehenden ausbreitet, ist das kaum mehr zu stoppen. Das ist etwas, was zu einem wirklichen Problem für die anstehenden Festivals werden kann." Er schlug daher vor, Feldlazarette einzurichten.
Die Veranstalter der Festivals sind alarmiert, können sich aber jetzt eben auch vorbereiten. Das tut zumindest Damien Dufrasne. Er ist der Leiter des mehrtägigen Dour-Festivals Mitte Juli. Er werde die Ergebnisse aus Hasselt abwarten und schauen, was da gesagt wird. "Wenn das weiter größere Ausmaße annimmt, dann muss man sich mit den Sicherheitsdiensten an einen Tisch setzen und Lösungen finden, um alle zu beruhigen."
Kay Wagner