Am Dienstag ist in Mol in der Provinz Antwerpen ein besonderer Geburtstag begangen worden: Das sogenannte "Studienzentrum für Kernenergie"(abgekürzt SCK-CEN für die niederländisch- und französischsprachigen Bezeichnungen) wird 70 Jahre alt. Aus diesem Anlass wird im Juni auch die Öffentlichkeit zu einem Besucherwochenende eingeladen.
Schon jetzt gab es allerdings hohen Besuch unter anderem von der Politik, genauer gesagt von der Föderalregierung in Form von Premierminister Alexander De Croo und Energieministerin Tinne Van der Straeten. Die hatten neben Glückwünschen auch Geschenke dabei: Zum einen eine dekorative Skulptur für den Außenbereich, zum anderen 100 Millionen Euro - beziehungsweise die Zusage dieser Summe für am Studienzentrum mit internationalen Partnern durchgeführte neue Forschung.
Konkret geht um die Forschung an einer neuen Generation von Atomreaktoren, den sogenannten "kleinen modularen Reaktoren" ("SMR" - "small modular reactor"). Das Ziel sei, gegen 2050 emissionsfrei - also ohne den Ausstoß von Schadstoffen - Elektrizität produzieren zu können, erklärte Premier De Croo in der VRT.
Das wolle man mit einem Energiemix, also durch den Einsatz unterschiedlicher Technologien, erreichen. Dabei gehe es um Sonnen- und Wind-, aber zum Teil eben auch nukleare Technologie. Das sei notwendig, so De Croo. Man müsse dafür alles einsetzen, was zur Verfügung stehe. Belgien werde Solarpaneele brauchen, die Windkrafträder auf der Nordsee, Wärmepumpen, Dämmung – aber eben auch Atomenergie. Allerdings eine andere Atomenergie als heute, versicherte De Croo.
Das betont auch die grüne föderale Energieministerin ausdrücklich, sie setzt sich ja energisch für die Abschaltung der jetzigen Reaktoren ein. Die Regierung habe die Parameter für neue Energietechnologien sehr deutlich definiert, so Tinne Van der Straeten. Nicht nur dürften sie keinen Abfall produzieren und müssten passiv - ohne einen notwendigen Eingriff von außen - sicher sein. Sie dürften auch kein Risiko für die internationale Sicherheit darstellen. Das nukleare Material dürfe also nicht für Waffen genutzt werden können.
Vor- und Nachteile
Welche Vorteile sollen die kleinen modularen Reaktoren also bieten? Neben zumindest deutlich weniger radioaktivem Abfall und besserer Sicherheit einen Vorteil, der schon an der Bezeichnung deutlich wird, wie Eric Van Walle, der Direktor des Forschungszentrums, ausführte: Sie sind klein und modular. Das bedeute, dass man zwei oder drei nebeneinanderstellen könne, ohne sie gleichzeitig installieren zu müssen.
Aufgrund ihrer Größe und Beschaffenheit sind SMRs nämlich eben so ausgelegt, dass sie als modulare, selbstständige Einheit in einer Fabrik hergestellt werden können. Im Anschluss können sie dann an den gewünschten Einsatzort transportiert und betriebsbereit gemacht werden – sei es als einzelner Reaktor oder zusammengeschlossen als größeres Kraftwerk. Das macht SMRs natürlich viel flexibler als die heute in Belgien eingesetzten Reaktoren. Außerdem sollen sie auch günstiger sein als herkömmliche Kernreaktoren, wenn auch immer noch deutlich teurer als andere Technologien.
Einige Nachteile werden jedoch auch zukünftige SMRs haben. Neben ihrem hohen Stückpreis ist auch das Problem radioaktiven Abfalls weiterhin nicht gelöst. Und solcher Abfall wird, wenn auch wohl deutlich weniger, auch weiterhin anfallen. Zweites Problem: Für den nuklearen Brennstoff, der auch für SMRs benötigt wird, wird Belgien auch weiterhin aufs Ausland angewiesen bleiben. Aber dennoch: Wenn man bis 2040-2050 die neue Technologie einsatzbereit haben wolle, dann müsse man heute handeln, so Premier De Croo.
Die Technologie wird übrigens auch andernorts untersucht, rund 70 Forschungsprojekte soll es weltweit geben. Im mehr oder minder regulären Einsatz hat bisher nur Russland einen SMR, schwimmend auf einem Schiff. China baut allerdings auch bereits an einem ersten kommerziellen Reaktor des neuen Typs.
Boris Schmidt