Die Coronakrise ist in letzter Zeit so ein bisschen aus den Medien verschwunden. Der Grund dafür ist schlicht und einfach, dass die Zahlen seit Wochen rückläufig sind und sie sich zudem innerhalb so überschaubarer Grenzen bewegen, dass von der eigentlichen Epidemie im Moment keine unmittelbare Gefahr ausgeht. Das allerdings kann sich wieder ändern, spätestens im Herbst wird man die Zahlen wieder im Auge behalten müssen.
Die wirksamste Waffe gegen das Virus, das ist im Moment die Impfung. Aber wenn es doch zu einer Infektion kommt - sei es, weil der Impfschutz durchbrochen wurde, sei es, weil es keinen gab - können sich die Ärzte eigentlich nur noch auf das Immunsystem des Patienten verlassen.
Denn ein wirklich wirksames Mittel, um eine einmal ausgebrochene Covid-Infektion einzudämmen, das gibt es noch nicht. Noch nicht, denn Forschende der Universität von Neu-Löwen (UCLouvain) sind davon überzeugt, dass sie einen entscheidenden Schlüssel gefunden haben, der das Virus im Körper unschädlich machen kann. Die Entdeckung wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und wird als "vielversprechende Weltpremiere" bezeichnet.
"Es ist so", sagte in der RTBF Simon Petitjean, Mitglied des Forscherteams: "Wir wollen verhindern, dass sich das Virus vermehrt. Genau das tut es in einer Zelle. Das ist also die erste Etappe der Infektion. Man muss also versuchen, das Virus daran zu hindern, in die Zelle einzudringen. Und dafür wiederum muss man dafür sorgen, dass das Virus gar nicht erst an die Zelle andocken kann. Auf diese Etappe haben wir uns also konzentriert. Zu verhindern, dass das Virus an die Zelle andockt, das ist für uns der Schlüssel."
Dieses "Andocken" erfolgt über die sogenannten Spike-Proteine (die "Stacheln", die man von den schematischen Darstellungen des Coronavirus kennt). Diese Spike-Proteine konzentrieren sich dabei auf bestimmte Zuckermoleküle. "Und wir versuchen, dafür zu sorgen, dass diese Spike-Proteine schon vor dem Andocken mit diesen Zuckermolekülen belegt werden", sagt Simon Petitjean.
Mal ganz salopp ausgedrückt: Wenn man sich die besagten Spike-Proteine wie Saugnäpfe vorstellt, dann versucht man einfach zu erreichen, dass all diese Saugnäpfe schon besetzt sind; damit keins mehr übrig bleibt, mit dem das Virus an eine Zelle andocken kann. Mit dem Resultat, dass das Virus nicht mehr in die Zelle eindringen und sich damit auch nicht vermehren kann. Nach ein paar Stunden stirbt das Virus.
Auf diese Weise dämmt man also die Infektion ein, um nicht zu sagen: Man würgt sie ab. Was sich hier so einfach anhört, das ist natürlich in der Praxis ein hochkomplexes Unterfangen: medizinische Hochtechnologie.
Konkrete Anwendung dieser Entdeckung ist dann ein antivirales Medikament, das sich im Übrigen auch schon in den ersten Testphasen befindet. Die nächste Etappe wären klinische Tests. "Nur wäre es ab dem Moment wahrscheinlich zielführender, mit einem Pharmaunternehmen zusammenzuarbeiten", sagt Simon Petitjean. "Die verfügen da einfach über mehr Mittel und mehr Erfahrung." Ein solches Medikament würde man dann genau über denselben Weg einnehmen, den in den meisten Fällen auch das Coronavirus nimmt: die Atemwege. Konkret wäre das also zum Beispiel ein Spray, ein Inhalator.
Der große Vorteil dieser Methode ist es, dass es dem Medikament eigentlich egal ist, welche Variante es vor sich hat. "Jede Mutation wird immer mit den besagten Zuckermolekülen interagieren und genau darauf konzentriert sich ja unser Medikament", sagt Simon Petitjean. Die ersten griffigen Ergebnisse der laufenden Laborstudien werden schon in Kürze erwartet.
Roger Pint