Es ist eine Geschichte, die bis in die 1960er Jahre zurückreicht. Damals wurden erste Pläne geschmiedet, den Hafen von Antwerpen am linken Scheldeufer Richtung Niederlande auszubauen. Doch dann passierte das, was die gesamte Saga um das Dörfchen Doel bis vor kurzem geprägt hat: Es passierte nämlich lange nichts mehr.
Erst Ende der 1970er Jahre gab es erste Enteignungen von Grundstücken in Doel. Dann folgte wieder eine lange Pause. Bis Ende der 1990er Jahre erneut Bewegung in die Sache kam: Die damalige flämische Regierung wollte ernst machen mit den Erweiterungsplänen des Hafens. Sie bot Bewohnern von Doel an, ihre Häuser sowie Grund und Boden an die Region zu verkaufen.
Widerstand
Ein Exodus begann, viele Bewohner verließen das Dorf. Aber es regte sich auch Widerstand. Die Aktionsgruppe "Doel 2000" wurde gegründet. "Wir kämpfen seit 25 Jahren für den Fortbestand von Doel, für den Fortbestand der Gassen und Häuser und des Lebensraums in der Region. Wir sind der Auffassung, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist und nicht umgekehrt. Das wurde heute eigentlich auch so anerkannt", sagte Sprecher Jan Creve am Mittwoch zu der Einigung, die jetzt gefunden wurde.
Bis zum Europäischen Gerichtshof klagte "Doel 2000" und konnte damit sogar ein Projekt der flämischen Regierung 2016 stoppen. Zwei Jahre später kam die Regierung mit einem neuen Plan - der hat jetzt nach langen Verhandlungen und dem ein oder anderen Kompromiss die Zustimmung aller Beteiligten gefunden.
Alle Beteiligten, das sind mittlerweile rund 30 Bündnisse, Vereinigungen und Interessenvertretungen rund um die Pläne der Erweiterung des Hafens von Antwerpen. Einige davon hatten noch Klagen beim Staatsrat laufen. Diese Klagen werden jetzt zurückgezogen, erklärte am Mittwoch der zuständige flämische Minister für Finanzen und Wohnen, Matthias Diependaele, der VRT. Darüber hinaus hätten sich alle 30 Parteien darauf verständigt, sich künftig um die Umsetzung der jetzt gefundenen Einigung zu bemühen und keine neuen Klagen einzureichen.
Zukunftsperspektiven
Die jetzt gefundene Einigung sieht wie folgt aus: Das Dorf Doel bleibt bestehen und bekommt Zukunftsperspektiven: Insgesamt 215 Millionen Euro sollen ausgegeben werden für die Renovierung von Gebäuden, Straßen und anderer Infrastruktur der Gemeinde, für einen Anschluss an die Autobahn E34 - für die Einrichtung einer regelmäßigen Fährverbindung Richtung Stadtgebiet Antwerpen.
200 Hektar landwirtschaftliche Fläche sollen mindestens erhalten bleiben. Naturschützer, die sich auch für den Erhalt von Doel stark gemacht hatten, können sich über die Zusage freuen, dass weitere 665 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, die der flämischen Region gehört, in Natur umgewandelt werden sollen.
Natürlich wird auch die Hafenindustrie zufrieden gestellt. "Das ist ein sehr wichtiger Moment. Jetzt gibt es eine Perspektive für die Vergrößerung des Hafens. Der Hafen steht unter großem Druck, denn die Kapazitäten sind fast vollständig ausgelastet. Jetzt bekommen wir die Perspektive, dass vier Millionen Container zusätzlich abgefertigt werden können. Es ist sehr wichtig, dass das jetzt passiert", sagt Stephan Vanfraechem, Direktor von Alfaport des flämischen Unternehmerverbands Voka.
Der neue Containerterminal als lang geplanter Ausbau des Hafens von Antwerpen soll jetzt südlich des Atomkraftwerks von Doel entstehen. Wie und wann genau, ist noch nicht klar. Zugesichert ist aber, dass der Terminal an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr arbeiten darf. Auch das ist Teil des Kompromisses, der jetzt gefunden wurde - und mit dem ein langer Streit rund um die Ortschaft Doel gut endet.
Kay Wagner