Der eine ist Wouter Beke, aktuell flämischer Minister für Gesundheit und Familie, bis vor drei Jahren auch Vorsitzender seiner Partei, der CD&V. Der andere ist Joachim Coens, Nachfolger von Beke als Vorsitzender der CD&V. Beide sind jetzt aneinander geraten. Nicht direkt. Aber indirekt über Artikel in einer Zeitschrift und in einer Zeitung.
Wie das kam? Hier die Geschichte: Alles hat sicher seinen Ursprung beim Tod eines kleinen Mädchens vor ein paar Wochen in einer Kinderkrippe bei Gent. Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, dass es schon seit Jahren Klagen über die besagte Krippe gab. Eltern hatten sich schon öfters über die schlechte Behandlung der Kinder beschwert. Geschehen war nichts. Das Ministerium von Beke kam deshalb in die Kritik.
Seitdem versucht Beke, irgendwie Ordnung in das Krippenwesen in Flandern zu bringen. Und macht dabei keine glückliche Figur. Am Dienstag erschien dann ein längeres Interview mit Beke in der Zeitschrift Humo. Darin regt Beke an, den Zeitraum, in dem Mütter und Väter Elternzeit nehmen können, von aktuell zwölf Jahre auf drei Jahre zu verkürzen. Das würde dazu führen, dass kleine Kinder öfter bei den Eltern bleiben würden. Krippen würden dadurch entlastet, der Mangel an Betreuungspersonal in den Krippen könnte dadurch bekämpft werden.
Kaum war das Interview veröffentlicht, meldete sich Bekes Parteichef Coens über die Kommunikationsplattform Twitter – und sagte etwas völlig anderes. Quasi das Gegenteil: Die CD&V setze sich dafür ein, dass die Elternzeit von derzeit zwölf auf 18 Jahre ausgedehnt wird. Das sei modern, weil Eltern so flexibel auf ihre jeweiligen Situationen in den Familien reagieren könnten. Um den Tweet zu unterstreichen, veröffentlichte Coens auch noch einen längeren Meinungsbeitrag zunächst online, dann auch heute gedruckt bei der Zeitung De Morgen.
Eine öffentliche Zurechtweisung also von Minister Beke durch den Parteivorsitzenden Coens. Der sieht das allerdings gar nicht so. Am Mittwochvormittag sagte er im Radio der VRT: "Es geht nicht darum, jemanden zurecht zu weisen", sagte Coens, "sondern vielmehr darum, dass ich als Parteivorsitzender zusammen mit anderen Mitgliedern der Fraktion einen Standpunkt der Partei verdeutlicht habe, über den eine Diskussion entstanden ist". Den Meinungsbeitrag, der am Mittwoch in der Zeitung De Morgen zu lesen ist, spiegele den Standpunkt der Partei wider. Der Artikel sei auch mit Minister Beke abgesprochen gewesen. Anlass zur Diskussion gebe es nicht, spielte Coens die Sache herunter.
Die VRT-Journalistin ließ jedoch nicht locker. Es sei schon etwas anderes, die Elternzeit von zwölf auf drei Jahre verkürzen zu wollen, oder sie von zwölf auf 18 Jahre zu verlängern. Was denn Minister Beke zu dem Beitrag in De Morgen gemeint habe? Und ob auch das Interview in Humo in der Partei abgesprochen gewesen sei? CD&V-Chef Coens wich weiter aus und eierte herum. "Es ist nicht unlogisch, dass in einem Zeitungsinterview Denkanstöße geliefert werden", sagte er. "Aber es ist auch nicht unlogisch, dass ein Parteivorsitzender den Standpunkt seiner Partei zu einer Sache verdeutlicht." Dabei blieb es dann.
Von Wouter Beke selbst ist bislang keine Stellungnahme zu der Sache zu bekommen. Kopfschütteln in Flandern über dieses Kommunikationschaos bei der CD&V. Zumal die Zuständigkeit für Elternzeit gar nicht bei den Regionen liegt, sondern bei der föderalen Ebene, wie es die Zeitung Gazet Van Antwerpen am Mittwoch in einem vernichtenden Kommentar betont, und Minister Beke schlichtweg der Rücktritt empfiehlt.
Kay Wagner