Tatsächlich auf der Rechnung der Endverbraucher niedergeschlagen hat sich die Preissteigerung nach dem Angriff Putins noch nicht. Aber das ist natürlich nur eine Frage der Zeit. Nicht, dass die Energierechnungen nicht schon seit Monaten extrem schmerzlich für sehr viele Menschen wären. Aber obendrauf droht nun eben noch ein richtiger Preishammer zu kommen.
Sie habe letzte Woche die französische EU-Ratspräsidentschaft darum ersucht, ein sehr schnelles Treffen der Energieminister anzusetzen, erklärte die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten (Groen) am Montagmorgen bei Radio Eén. Man müsse sich über die Energiepreise beugen. Und man müsse mit einer europäischen Offensive gegen die Preise kommen. Die Situation sei so ernst, dass es jetzt wirklich auch ernsthafter Maßnahmen bedürfe.
Sie wolle, dass untersucht werde, wie die Energiepreise auf europäischer Ebene reguliert werden könnten. Ganz konkret wolle sie, dass geschaut werde, wie der Gaspreis gedeckelt werden könnte. Das solle von den europäischen Ländern gemeinsam getan werden – aber vor allem auch zusammen mit dem europäischen Regulator. Es solle auf europäischer Ebene darüber gesprochen werden, zu welchen Referenzpreisen für Gas man eigentlich zurückkehren wolle. Und dass man das dann als Preisdeckel für die Endverbraucher festlege.
Wo ein Wille, da ein Weg
Das gehe aber nicht einfach so, dämpfte Van der Straeten zu großen Optimismus. Aber wo ein Wille sei, da sei auch ein Weg. Bislang habe sich Europa verständlicherweise von solchen Maßnahmen ferngehalten. Aber außergewöhnliche Zeiten erforderten eben auch außergewöhnliche Maßnahmen, unterstrich die Energieministerin. Die Welt habe sich wirklich verändert und die Menschen bräuchten Ruhe und Sicherheit, was ihre Energierechnungen betreffe. Deswegen müsse man auch offen und gründlich über Sachen sprechen, die lange unmöglich schienen.
Am Montag werde darüber aber sicher keine Entscheidung fallen, machte Van der Straeten unmissverständlich klar. Am Mittwoch werde die EU-Kommission verschiedene Vorschläge vorstellen. Am Montag gehe es darum, die Diskussion über eine gemeinsame europäische Offensive gegen die steigenden Energiepreise in Gang zu bringen.
Keine Zeit verlieren
Van der Straeten unterstrich in diesem Zusammenhang auch erneut die Notwendigkeit einer strukturellen und langfristigen Herangehensweise, beispielsweise durch einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien. Aber jetzt müsse es eben zunächst um mittel- und kurzfristige Schritte gehen.
Es sei in jedem Fall gut, dass endlich unmissverständlich begriffen worden sei, dass hart daran gearbeitet werden müsse, Europa energietechnisch unabhängig zu machen. Sie bedauere sehr, dass man so schlecht auf diese Situation vorbereitet gewesen sei. Das bedeute aber auch, dass man keinen Tag mehr verlieren dürfe.
Reform der Energierechnungen
Was Belgien auf nationaler Ebene betrifft, so verwies die föderale Energieministerin auf das sogenannte zweite Energieunterstützungspaket, das gerade ausgerollt werde. Das enthält ja verschiedene Maßnahmen, um die Rechnungen der Bürger zumindest etwas zu senken. Zwischenzeitlich arbeite man unter Hochdruck an der versprochenen gründlichen Reform der Energierechnungen. Van der Straeten rechnet hier, aufgrund der explosiven internationalen Lage, dieses Mal auch mit deutlich schnelleren Fortschritten als beim zweiten Energiepaket.
Der Überfall auf die Ukraine hat aber natürlich auch der Debatte um den belgischen Atomausstieg neue Brisanz verliehen. Ein ohnehin sehr heißes Eisen gerade für die Grünen also noch heißer gemacht. Hierzu hält sich die grüne Energieministerin Van der Straeten aber eisern daran, dass die Entscheidung darüber am 18. März fallen werde – und dass sie dem nicht vorgreifen werde.
Alle, wirklich alle Szenarien lägen auf dem Tisch. So, wie man das auch stets gesagt habe. Man brauche eine Einigung für 100 Prozent der Energieversorgung Belgiens, so Van der Straeten. Nicht nur für die zwei Prozent des belgischen Energiemixes, den die umstrittenen zwei jüngsten Kernreaktoren nach Angaben der Ministerin ausmachen.
Boris Schmidt