"Tatort" Sivry-Rance. Die beschauliche Gemeinde liegt im Süden der Provinz Hennegau, unweit von Chimay, direkt an der französischen Grenze. Knapp 5.000 Einwohner hat die Ortschaft. Entsprechend selten kommt sie in den Medien vor; auf überregionaler Ebene erst recht nicht. Und doch ist Jean-François Gatelier, der Bürgermeister von Sivry-Rance, im Moment fast schon auf allen Kanälen. Zitiert wird er unter anderem in der Rundfunkanstalt VRT und sogar in der flämischen Wirtschaftszeitung De Tijd.
Was ist da los? Nun, Sivry-Rance steht beispielhaft für die aktuell spektakulären Verwerfungen am Holzmarkt. Kürzlich hat die Gemeinde nämlich einen öffentlichen Holzverkauf organisiert. "Und dabei wurden wir doch sehr überrascht", sagte Bürgermeister Jean-François Gatelier in der RTBF. Ausnahmslos alle bedeutenden und attraktiven Lose seien an Unternehmen gegangen, die nach China exportieren. Die Vertreter wallonischer Sägereien, die im Auktionsraum waren, hatten konsequent das Nachsehen, weil sie die Angebote nicht überbieten konnten: Die Preise lagen um mehr als 30 Prozent höher als normal. "Viel Holz für Holz", könnte man sagen.
Heimische Holzindustrie guckt in die Röhre
Der Branchenverband Fedustria bestätigt das Phänomen. Bei öffentlichen Holzverkäufen tauchten immer häufiger chinesische Bieter auf, die hohe Preise zahlen, vor allem für Eiche und Buche, sagt ein Sprecher der Vereinigung in der Zeitung De Tijd. Vor allem Rundholz von Laubbäumen werde nach China verkauft; inzwischen aber auch schon Fichtenholz, selbst dann, wenn es von Schädlingen befallen ist.
Für die Verkäufer ist das alles natürlich eine gute Neuigkeit. Ihr Holz geht weg wie warme Brötchen; und dann auch noch zu sehr lukrativen Preisen. Was will man mehr?
Die heimische Holzindustrie guckt demgegenüber in die Röhre. "Früher konnten wir uns wenigstens noch in einigen Premium-Bereichen behaupten", sagte in der RTBF Mathieu Moraux, Geschäftsführer der Sägerei Saint-Joseph in Viroinval. "Jetzt sind die Preise dermaßen hoch, dass wir nicht mehr mithalten können."
Alle Branchen betroffen
Das Problem betreffe aber nicht nur die Sägereien, sondern alle Branchen, die Holz weiterverarbeiten, z.B. Möbelbauer oder Parkettverleger, heißt es beim Branchenverband Fedustria. Kürzlich habe ein Unternehmer der Vereinigung mitgeteilt, dass er mit den geringen Mengen, die die Chinesen übriglassen, nur noch einige Wochen über die Runden kommen könne; mehr nicht.
Das Phänomen hat inzwischen eine neue Qualität, sagt denn auch Bürgermeister Jean-François Gatelier. Natürlich sei das alles nicht wirklich neu. In diesem Jahr sei das Interesse Chinas an europäischen Hölzern aber nochmal gestiegen, weil die Regierung in Peking gerade erst beschlossen habe, dass keine chinesischen Bäume mehr gefällt werden dürfen. Entsprechend würden also chinesische Sägereien subventioniert, um sich das Holz anderswo zu beschaffen.
EU-Kommission alarmiert
Die wallonische Regionalregierung ist sich nach eigener Aussage des Problems bewusst. "Wir wissen natürlich um die Wichtigkeit der holzverarbeitenden Industrie in der Wallonie", sagte die wallonische Umweltministerin Céline Tellier in der RTBF. Knapp ein Drittel der Region sei schließlich von Wald bedeckt. Deswegen habe man sich für eine globale Herangehensweise entschieden: Einerseits wolle man dafür sorgen, dass der Wald widerstandsfähiger wird, um den Folgen des Klimawandels trotzen zu können. Auf der anderen Seite wolle man versuchen, die hiesige holzverarbeitende Industrie zu stärken.
Der wallonische Wirtschaftsminister Willy Borsus hat seinerseits vor einigen Tagen die EU-Kommission alarmiert. In einem Schreiben an den für den Binnenmarkt zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton weist Borsus mit deutlichen Worten auf die "Notsituation" der wallonischen Unternehmen hin. Grund seien die hohen Rohstoffpreise, aber auch der massive Export heimischer Hölzer nach China, unverarbeitet und damit ohne wirklichen Mehrwert.
Und tatsächlich: Der Mehrwert wird am Ende wohl in China produziert. Das europäische Holz wird wohl in weiterverarbeiteter Form wieder nach hier zurückkehren; z.B. in Form von Möbeln. Und das oft zu immer noch günstigeren Preisen als vergleichbare Waren aus heimischer Produktion. Ohne Staatsbeihilfen sei so etwas nicht möglich, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Auch deswegen sollte sich tatsächlich mal die EU-Kommission mit der Problematik beschäftigen.
Roger Pint
Für alle die es noch nicht verstanden haben, wir erleben gerade die Umkehr der Verhältnisse! Wir werden zur Chinesischen Rohstoffkolonie, der industrielle Mehrwert wird in China erwirtschaftet. Die Freude unserer Bürgermeister ist kurzsichtig, eigentlich müssten alle Alarmglocken läuten und dieser Export zu Lasten der Belgischen Wertschöpfungskette sofort beendet werden! Sich darüber freuen dass es jetzt ein paar EURO mehr in der Gemeindekasse sind, während die Wertschöpfungskette dahinter austrocknet, ist wirtschaftlicher Selbstmord. Fehlt unseren Politikern komplett jeglicher ökonomischer Sachverstand? Womit beschäftigen die sich eigentlich....
Die Chinesen sind die Fugger des 21. Jahrhunderts.Haben sich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet unter Ausnutzung aller Möglichkeiten (vor allem der vom Westen initiierten Globalisierung).
Und dagegen hilft kein Weinen und Klagen, sondern nur Protektionismus. Ausserdem eine Strategie zur Reindustrialisierung Europas, die unabhängig macht vom Import lebenswichtigen Güter. Das ist wichtiger als Klimaschutz und anderen naiven Gretakram.
Es war doch pure Naivität zu glauben, dass freier Welthandel Demokratie und Rechtsstaat in alle Welt bringen würde.So ganz von allein und ohne Widerstand.Der Westen ist in die eigene Falle getappt.Der chinesische Drachen hat zum Gegenschlag ausgeholt und rächt sich für die Demütigungen des Westens (Ungleiche Verträge, Opiumkriege).