Der 27. September: Ein Feiertag in der Wallonie und in Brüssel. Warum das so ist, das wissen allerdings wohl nicht sehr viele. "Festtag der Föderation Wallonie-Brüssel". Die RTBF hat in einem Hörsaal an der UCLöwen nachgefragt - im ersten Studienjahr Politikwissenschaften. "Föderation Wallonie-Brüssel? Nie gehört". Wenn selbst Politikstudenten mit der Institution nichts anfangen können, das sagt, was es sagt. Zumal es eben die Föderation Wallonie-Brüssel ist, die für das Unterrichtswesen und damit auch ihre Uni zuständig ist.
Das mag schon ein bisschen damit zu tun haben, dass die Föderation Wallonie-Brüssel eigentlich gar nicht so heißt. Laut Verfassung ist es immer noch die Französische Gemeinschaft, von der da die Rede ist. Man hat sich nur auf den neuen Sprachgebrauch verständigt, um das Band zwischen den Frankophonen in Belgien zu unterstreichen - dies auch als Signal an die Flamen, nach dem Motto: "Brüssel kriegt ihr nicht!".
Das neue Etikett, das man der Französischen Gemeinschaft vor genau zehn Jahren verpasst hatte, das hat aber offensichtlich nicht dazu beigetragen, die Institution als solche bekannter zu machen. Dabei kümmert sie sich nach wie vor um zentrale Bereiche des Lebens: Unterricht, Kultur, Medien, wissenschaftliche Forschung. Aber Gemeinschaft hin, Föderation her, am passendsten wäre wohl "Stiefmütterchen".
"Schlimmer noch", sagt der Ministerpräsident der Französischen Gemeinschaft, Pierre-Yves Jeholet. Seit zwei Jahren stelle er fest, dass Wallonen und Brüsseler sich immer weniger zu sagen hätten, dass das Band lockerer wird. Er könne aber nicht erkennen, welchen Vorteil die Region hätte, diese Verbindung aufzugeben. Sagt ein Mann, der in der Vergangenheit auch zu den sogenannten "Regionalisten" gehörte, die also die "Region" als einzig nötigen Gliedstaat betrachten und die Gemeinschaft für überflüssig halten. Es gibt sogar einen alten Interviewschnipsel von Pierre-Yves Jeholet, in dem er sich fragt, was die Minister der Französischen Gemeinschaft denn so den lieben langen Tag machen. Jetzt gehört er selbst dazu. Wobei: "Wenn ich morgen nicht mehr Ministerpräsident wäre, dann könnte ich auch damit leben", sagte Jeholet in der RTBF, wohl um zu unterstreichen, dass er nicht aus reinem Eigeninteresse seine Meinung geändert hat.
Dass er seine Meinung grundlegend geändert hätte, wäre ohnehin zu viel gesagt. Er glaube auf jeden Fall, dass die Frankophonen einen Plan brauchen, sagt der MR-Politiker. Es sei doch so: Einfach nur die Abschaffung der Französischen Gemeinschaft zu predigen, das sei zu kurz gegriffen. So löse man kein Problem. Die Frankophonen müssen sich vielmehr die Frage stellen, wie man die Zuständigkeiten im frankophonen Landesteil effizienter verwalten kann. Geld fällt schließlich nicht vom Himmel, sagt Jeholet. Deswegen müssen wir uns offensiv fragen, ob wir uns die Institutionen, die wir haben, leisten können.
Eine Neuordnung der Zuständigkeiten wäre das also. Nur, auch da dürfe man sich nicht in die Tasche lügen, warnte der Vorsitzende des Parlaments der Französischen Gemeinschaft, Rudy Demotte, in er RTBF. Es ist nicht so, dass sich die Bedürfnisse ändern würden, nur weil man das Ganze umorganisiert. Egal, wer am Ende bezahlt: Es gibt Dinge, die bezahlt werden müssen. Das also nur um zu sagen, dass die Bedürfnisse und Nöte nicht verschwinden, nur weil man eine Institution infrage stellt.
Alles einfach aufzuspalten und an die Regionen zu übertragen, also Brüssel und die Wallonie, das steht derweil offensichtlich nicht mehr zur Debatte. Das flämische Modell einer reinen Zusammenlegung von Region und Gemeinschaft geht ebenfalls nur bedingt als Vorbild durch, da die flämische Präsenz in Brüssel eher noch überschaubar ist.
Und doch wird sich was ändern müssen, ist Ministerpräsident Jeholet überzeugt. Wir müssen Ordnung in den frankophonen Zuständigkeiten schaffen, um uns für 2024 aufzustellen, ist er überzeugt. 2024, wenn die neue Staatsreform ansteht, brauchen die Frankophonen dieses Landes einen gemeinsamen Plan.
Roger Pint