"Hier ging es nicht darum, ein plumpes Hackebeil zu benutzen, um einen Kopf rollen zu lassen", sagte Ludivine Dedonder im Verteidigungsausschuss der Kammer. Mit dieser schroffen Formulierung fasste die Verteidigungsministerin ihre Kernbotschaft zusammen. Diese lautet: General Major Philippe Boucké war kein Bauernopfer.
Massive Vorwürfe gegen Militärgeheimdienst
Dieser Philippe Boucké war Chef des Militärgeheimdienstes, SGRS. Der SGRS war im Zusammenhang mit dem Fall Jürgen Conings ziemlich unter Beschuss geraten. Grob gesagt: Der Dienst hatte Conings nicht wirklich auf dem Schirm, trotz dessen rechtsextremer Umtriebe und der Warnungen des Anti-Terror-Stabs OCAM, der Conings als potenziell gewaltbereiten Extremisten eingestuft hatte. Fakt ist jedenfalls, dass eben dieser Conings nach seiner Versetzung nach Leopoldsburg Zugang zu schweren Waffen hatte.
"Da hat ganz offensichtlich etwas nicht funktioniert", haben sich nicht nur Oppositionspolitiker gedacht. Entsprechende Untersuchungen laufen zum Teil noch. Das Kontrollorgan der Geheimdienste, das Komitee R, hat jedenfalls dem Militärgeheimdienst ein desaströses Zeugnis ausgestellt.
Leiter des SGRS ursprünglich nicht in Schusslinie
Der Leiter des SGRS war dabei aber nicht unbedingt in der Schusslinie. Man muss wissen, dass Philippe Boucké diese Position vor nicht einmal einem Jahr übernommen hat. Generalstabchef Michel Hofman hatte sich auch demonstrativ hinter Boucké gestellt. Und doch wurde ihm am Donnerstag vergangener Woche mitgeteilt, dass er seines Amtes enthoben werde.
Diese Entscheidung scheint innerhalb der Armee nicht gut angekommen zu sein - und das ist noch diplomatisch ausgedrückt. In einigen ungewöhnlich wütenden Twitter-Mitteilungen machten mehrere Generäle ihrem Ärger über diese Entscheidung Luft - öffentlich. Das passt nicht zum Image einer Einrichtung, die man auf Französisch auch die "große Schweigende" nennt. Hinzu kam dann auch noch, dass Rechtsexperten Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Amtsenthebung hegten und von klaren Verfahrensfehlern sprachen. Selbst aus den Reihen der Koalition gab es daraufhin deutlich hörbare Kritik am Vorgehen der Verteidigungsministerin.
Dedonder: SGRS ist unterfinanziert
Ludivine Dedonder stand also unter gehörigem Druck, als sie sich im Verteidigungsausschuss der Kammer den Fragen der Abgeordneten stellen musste. Zunächst räumte sie ein, dass der Militärgeheimdienst chronisch unterfinanziert sei. Diesen Zustand habe sie geerbt - sie hat ihr Amt schließlich erst im vergangenen Herbst übernommen. Zugleich unterstrich sie aber auch, dass der Dienst im Fall Conings gravierende Fehler gemacht habe. Und das gelte auch für den Leiter des SGRS, also Philippe Boucké.
Dedonder: Kommunikation von Boucké war problematisch
Problematisch sei vor allem dessen Kommunikation gewesen. Insofern sei es schwierig, eben diesem Philippe Boucké die dringend nötige Reform des Dienstes anzuvertrauen. Hinzu komme nämlich, dass der General offensichtlich schwer an dem Amt getragen habe. Er sei dem Druck offensichtlich nicht gewachsen gewesen, sagte Ludivine Dedonder.
Sie habe sich also mit Philippe Boucké zusammengesetzt, um über die Zukunft zu sprechen. Und sie seien in beiderseitigem Einvernehmen zu dem Schluss gekommen, dass es für den Dienst besser sei, wenn Boucké an der Spitze abgelöst werde. Hier handele es sich nicht um eine Entlassung. Boucké werde künftig innerhalb der Armee mit anderen Aufgaben betraut.
Dedonder: Boucké hat Entscheidung akzeptiert
Sie habe den Eindruck gehabt, dass Boucké die Entscheidung akzeptiert habe, wenn auch mit einer gewissen Wehmut und einem Gefühl des Bedauerns, weil er die begonnene Arbeit nicht zu Ende bringen konnte. Deswegen eben die Hackebeil-Metapher: Boucké sei nicht "einfach so" abgesetzt worden, um demonstrativ einen Kopf rollen zu lassen. Und: Die Entscheidung sei auch mit dem Generalstabschef abgesprochen gewesen.
Die Opposition war nicht überzeugt. Dass zwei Top-Generäle öffentlich Kritik an der Verteidigungsministerin üben, habe es so noch nicht gegeben, sagte etwa der N-VA-Abgeordnete Theo Francken. Die Armeeführung widerspreche offen der Ministerin, kehre sich sogar gegen sie. Ein Vertrauensbruch, sagt Francken.
Die Koalitionsfraktionen haben sich ihrerseits weitgehend hinter die Ministerin gestellt. Es bleibt aber der Eindruck, dass die Kommunikation zwischen der Armee und ihrer Aufsichtsministerin im Moment doch ziemlich gestört ist.
Roger Pint