"Der Trend ist gebrochen, der Sinkflug der Corona-Zahlen ist beendet". Sciensano-Sprecher Steven Van Gucht nimmt Worte in den Mund, die eigentlich niemand mehr hören wollte. Und das Ganze klingt auch gleich wieder ziemlich besorgniserregend. Auch der frankophone Kollege Yves Van Laethem bestätigt: Die Zahl der Neuinfektionen hat in der vergangenen Sieben-Tages-Periode stark zugenommen und die Zahl der Neuaufnahmen in den Krankenhäusern scheint nicht mehr weiter zu sinken.
Die Neuinfektionen näher beleuchtet
Knapp 550 Menschen haben sich im Durchschnitt pro Tag mit dem Coronavirus angesteckt. Das entspricht einem Anstieg um 66 Prozent. Klar: Wenn die Zahlen eher niedrig sind, hat man schnell solch hohe Wachstumsraten. Dennoch: Das ist durchaus ein Knick in der Kurve.
Die Forscher von Sciensano sehen dafür drei mögliche Erklärungen. Zum einen ist es so, dass im Moment unheimlich viel getestet wird. Innerhalb einer Woche sind 50 Prozent mehr Tests durchgeführt worden. Das hat natürlich mit den diversen Reiseauflagen zu tun. Dennoch: Wer mehr testet, der findet natürlich auch mehr Fälle. Es handelt sich hierbei auch um die asymptomatischen Infizierten, die von ihrer Ansteckung vielleicht nie etwas bemerkt hätten.
Unvorsichtigeres Verhalten & Delta-Variante
Die zweite Erklärung sind die Lockerungen, die in den letzten Tagen und Wochen in Kraft getreten sind. Viele hätten offensichtlich ihr Verhalten geändert und sind nicht mehr so vorsichtig.
Und eine dritte mögliche Ursache für die steigende Zahl der Neuinfektionen, ist schließlich die Delta-Variante. Diese ansteckendere Mutation ist inzwischen in Belgien quasi dominant, so Yves Van Laethem.
Insgesamt gehe man davon aus, dass die aktuellen Zahlen sich nicht allein durch die gestiegene Anzahl Tests erkläre lasse, meint Steven Van Gucht. Dahinter verberge sich wohl tatsächlich ein Wiederaufflackern des Infektionsgeschehens. So seien auch wieder mehr Covid-Fälle mit Symptomen zu sehen.
Vorwiegend eine Altersgruppe betroffen
Auffallend ist, dass dieser Trend fast ausschließlich Unter-60-Jährige betrifft. Wenn man genauer hinschaut, stellt man sogar fest, dass rund die Hälfte der Neuinfektionen auf das Konto der Unter-30-Jährigen geht und hier sticht insbesondere eine sehr überschaubare Altersgruppe hervor: die 18- bis 24-Jährigen.
Dieser Trend zunehmender Neuinfektionen werde sich wohl in den nächsten Tagen so fortsetzen, sagt Steven Van Gucht. Und es sei wohl davon auszugehen, dass Flandern und die Wallonie in den nächsten Tagen wieder zur orangen Zone werden.
Keine dramatische Entwicklung erwartet
Allerdings: Das bedeutet nicht das Gleiche wie noch vor einigen Monaten. Zwar dürfte auch die Zahl der Krankenhausaufnahmen im Fahrwasser der Neuinfektionen wieder zunehmen, sagt Steven Van Gucht. Er erwarte da aber keine spektakulären Entwicklungen - den Impfungen sei Dank. Denn wenn die Neuansteckungen vor allem Menschen unter 30 betreffen, dann wohl auch, weil in dieser Altersgruppe die Impfquote noch nicht so hoch ist wie bei den älteren.
In jedem Fall mahnen die Sciensano-Sprecher zur Besonnenheit. Die Pandemie ist eben noch nicht vorbei. Mit ein bisschen Vorsicht und dank der Impfungen ist immer noch ein schöner Sommer möglich, sagt Yves Van Laethem - unter der Voraussetzung, dass das Wetter mitspielt.
Roger Pint