An 40 verschiedenen Stellen hat die flämische Umweltbehörde (VMM) seit 2015 Proben genommen - aus Bächen, Flüssen und Kanälen der Region, aber auch aus Fischen von dort. Die Messergebnisse kann man nur als beunruhigend bezeichnen. Überall, wo man nach PFOS gesucht habe, habe man es auch gefunden, so Katrien Smet, Sprecherin der Behörde, in der VRT. In den meisten Fällen würden die Normen auch überschritten.
Konkret bedeutet das: In knapp 89 Prozent der genommenen Proben war mehr PFOS als erlaubt. Den Negativrekord hat dabei die Schelde in Antwerpen eingefahren: Hier ist der Grenzwert um das 110-fache überschritten worden. Generell waren die übergroße Mehrheit der Süßwasserproben und alle genommenen Salzwasserproben außerhalb des erlaubten Bereichs für die Chemikalie.
Fast noch alarmierender ist allerdings, dass drei Viertel aller untersuchten Fische, in diesem Fall Aale und Barsche, zu viel PFOS enthielten. In einem Fall wurde ein elf Mal so hoher Wert wie erlaubt gemessen - bei einem Fisch aus einem Bach in der Provinz Limburg. Die Umweltbehörde rate aber ohnehin davon ab, selbstgefangenen Fisch zu essen. Denn außer den PFAS-Stoffen, zu denen auch PFOS gehört, würden sich in Fischen noch diverse andere Schadstoffe anreichern. Nämlich zum Beispiel hohe Mengen an Quecksilber, aber auch die chemische Verbindung PCB (polychlorierte Biphenyle) und Dioxin. Schon allein aufgrund der geltenden Schutznormen und aus dem Vorsorgeprinzip würde sie absolut nicht empfehlen, solchen Fisch zu konsumieren, so die Sprecherin der Umweltbehörde.
Inwiefern sich die PFOS-Werte im Wasser möglicherweise schädlich auf die Gesundheit der Menschen auswirken könnten, das ist aber ohnehin eine andere Frage. Man muss ganz klar unterscheiden zwischen dem Trinkwasser, das aus dem Grundwasser stammt und aufbereitet wird, und dem sogenannten Oberflächenwasser, das bei dieser PFOS-Messung der Umweltbehörde unter die Lupe genommen worden ist. Also: Es geht hier nicht um Trinkwasser.
Risiko beim Schwimmen?
Zum anderen ist der Grenzwert von 0,65 Nanogramm pro Liter ein sehr niedriger, also sehr vorsichtig gewählter, betont Smet. Diese Norm bilde vor allem den ökologischen Zustand des Wasserlaufs ab. Deswegen sollten die Menschen auch keine unmittelbare Verbindung zu ihrer Gesundheit herstellen. Eine Schlussfolgerung aus den Werten ist aber unbestreitbar: Der ökologische Zustand der flämischen Gewässer lässt noch sehr, sehr viel zu wünschen übrig. Neben PFOS sind übrigens auch hohe Nitratbelastungen festgestellt worden. Das wird darauf zurückgeführt, dass ungeklärte Abwässer in die Wasserströme gelangen.
Wer an Gewässer denkt, gerade jetzt im Sommer, der denkt oft auch an Baden. Welche Auswirkungen kann die PFOS-Belastung also in diesem Kontext haben? Das ist schwer zu sagen. Europa gibt keine PFOS-Grenzwerte für Schwimmgewässer vor, Flandern hat deshalb auch keine eigenen Normen und misst das dort auch nicht. Im Gegensatz übrigens zu den niederländischen Nachbarn. Generell gilt wohl für Schwimmen in Flandern das Gleiche wie für den Verzehr von Gemüse oder Eiern aus lokalen Gärten, beziehungsweise wie für den Konsum von Fisch: Die Häufigkeit, mit der man dem Schadstoff ausgesetzt wird, und die Konzentration dürften entscheidend sein.
Der Toxikologe Jacob De Boer sieht jedenfalls keinen Grund für übertriebene Panik. Sicher, sehr schwer belastete Orte sollte man beim Schwimmen meiden, gerade mit Kindern, so der Professor der Freien Universität Amsterdam bei Radio Eén. Süßwasserfische aus belasteten Gewässern essen, das sei auch nicht wirklich zu empfehlen. Aber ansonsten sehe er da eigentlich keinen Grund zur Besorgnis. Sehr optimistisch gibt sich der Toxikologe auch für die Situation am, beziehungsweise im Meer. Durch die große Verdünnung der Schadstoffe sehe er da kein Problem - weder für das Schwimmen, noch für das Essen von Salzwasserfisch.
In der Theorie ist das Gesundheitsrisiko also eher begrenzt, wenn sich die Menschen nicht regelmäßig dem Schadstoff aussetzen. In der Praxis sei das aber schwierig, warnt der Genter Krebsforscher Nikolas van Larebeke. Denn das Problem sei, dass die Chemikalien der PFAS-Familie eben quasi allgegenwärtig seien. Damit seien viele Menschen ihnen auch konstant ausgesetzt, ob sie das nun wollten oder nicht. Jeder Kontakt mit diesen Stoffen sei ein Gesundheitsrisiko, wenn auch ein sehr kleines. Aber die Menge richte eben den Schaden an, das sei wie bei Zigaretten, so der Wissenschaftler.
Boris Schmidt