Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) hat am Mittwoch in ihrem Jahresbericht nicht den geringsten Zweifel daran gelassen: Belgien ist und bleibt ein Einfallstor für Drogen nach Europa.
Belgien ist laut den Zahlen für 2019 die Drehscheibe schlechthin für den Absatz von Kokain und Heroin auf dem europäischen Markt. Und Antwerpen mit seinem riesigen internationalen Seehafen spielt dabei logischerweise die Schlüsselrolle. Kein Wunder also, dass die Kokainfunde im Antwerpener Hafen sich in den letzten acht Jahren vervierzehnfacht haben.
65 Tonnen Kokain und 1,9 Tonnen Heroin sind den belgischen Behörden landesweit 2019 ins Netz gegangen. Das entspreche 30 beziehungsweise 24 Prozent der Gesamtmenge dieser Drogen, die in den 27 europäischen Mitgliedsstaaten plus Norwegen und der Türkei beschlagnahmt werden konnten. Dazu kommen aber im wahrsten Sinne des Wortes noch tonnenweise andere Drogen: etwa 11,5 Prozent allen gefundenen Marihuanas, zehn Prozent aller Ecstasy-Pillen und immerhin auch noch sechs Prozent der Amphetamine.
65 Tonnen Kokain, davon rund 62 Tonnen in Antwerpen im Jahr 2019, weitere 65 Tonnen allein in Antwerpen 2020, das sind wahrhaft schwindelerregende Zahlen. Vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass die Sicherheitsbehörden nach Schätzungen möglicherweise nur rund zehn Prozent des verschifften Kokains überhaupt finden.
Diese Rekorde werden aber dieses Jahr höchstwahrscheinlich sogar noch überboten werden. Denn allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind im Antwerpener Hafen bereits 54,5 Tonnen Kokain beschlagnahmt worden. Das hat Finanzminister Vincent Van Peteghem (CD&V), der auch für den Zoll zuständig ist, im Rahmen des Ortsbesuchs der Generaldirektorin des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Gadha Waly, bekanntgegeben.
Vergleiche man die aktuellen Zahlen mit dem gleichen Zeitraum letztes Jahr, so sei zweieinhalb Mal so viel Kokain gefunden worden, erläuterte Zoll-Chef Kristian Vanderwaeren in der VRT. Und dazu hat laut Minister Van Peteghem ein Ereignis maßgeblich beigetragen: die Operation "Sky", das Knacken und Abhören des Krypto-Kommunikationssystems Sky ECC der Drogenkartelle. Damit hätten belgische Justiz, Zoll und Polizei gemeinsam bewiesen, dass sie große Mengen Drogen abfangen könnten.
27 Tonnen Kokain mit einem Straßenwert von rund 1,4 Milliarden Euro waren im Rahmen der Operation sichergestellt worden. Das zeige, dass sich die harte Arbeit der Zoll- und Sicherheitsbehörden lohne, so Van Peteghem weiter. Aber leider auch, dass der Kampf gegen die Drogen noch lange nicht gewonnen sei. Die Kartelle passten konstant ihre Drogenrouten an und suchten nach neuen Wegen, um in die Hafenterminals einzudringen, um ihr Rauschgift durch den Hafen zu schleusen.
Aber wie die Operation "Sky" zeige, könnten auch die Behörden in puncto Erfindungsreichtum und Schlagkraft punkten. Belgien tue auch alles, um über eine verstärkte internationale Zusammenarbeit auch bei den Zollbehörden so gut wie möglich auf die Kreativität der Drogenhändler zu reagieren, so der Minister.
Zoll-Chef Vanderwaeren zeigte sich ebenfalls sehr zufrieden mit den Leistungen seiner Untergebenen. Wenn man sich allerdings noch größere Erfolge wünsche, dann brauche es mehr Personal und Mittel. Und er hatte auch noch beunruhigende Nachrichten dabei. Der Straßenpreis für Kokain sei trotz der Schläge gegen die organisierte Kriminalität nicht etwa gestiegen, sondern falle sogar. Was aber gestiegen sei, das sei die Drogenproduktion.
Finanzminister Van Peteghem hat sich jedenfalls hinter die Forderungen des Zoll-Chefs gestellt: Es müsse weiterhin mehr in die Ausrüstung, das Personal und auch die internationale Zusammenarbeit investiert werden, so der CD&V-Politiker. Ein Projekt, das besonders wichtig sei: dass alle Risikocontainer durchleuchtet werden könnten. Deswegen investiere Belgien in entsprechende Scanner, aber auch in künstliche Intelligenz-Systeme, um die Scannerbilder besser auswerten zu können.
Boris Schmidt