Beginnen wir mit der Suche nach Jürgen Conings. Der Mann ist offensichtlich nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt. Irgendwie kann man den Eindruck haben, dass die Behörden nicht wissen, wo sie suchen sollen. Es wird zwar weiter unter Hochdruck nach Jürgen Conings gesucht. Am Wochenende haben wieder Dutzende Polizisten und Soldaten unter anderem einzelne Bereiche in der Nähe des Nationalparks Hoge Kempen durchkämmt - vor allem in der Nähe des Ortes, wo man das Auto des mutmaßlichen Terroristen entdeckt hatte.
Im Hintergrund laufen außerdem weitere Recherchen. So wird zum Beispiel aktiv nach möglichen Unterstützern gesucht, die den Verdächtigen vielleicht bei sich aufgenommen haben könnten. Unterm Strich, so schreiben einige Zeitungen, sieht es aber sehr danach aus, dass die Ermittler keine wirkliche Spur haben. Man will sogar nicht ausschließen, dass Jürgen Conings möglicherweise seinem Leben ein Ende gesetzt hat; durch einen "diskreten" Selbstmord - also, dass es fast unmöglich ist, seine Leiche zu finden. Dagegen scheint zu sprechen, dass der 46-Jährige noch kurz vor seinem Verschwinden den höchstmöglichen Betrag von seinem Konto abgehoben hat. Was wollte er mit Geld, wenn er sich hätte umbringen wollen? Also: Eigentlich weiß man wirklich gar nichts.
Am Montag haben einige Zeitungen gemeldet, dass neben dem Virologen Marc Van Ranst noch weitere Menschen Personenschutz bekommen. Es herrscht weiterhin ziemliche Nervosität, weil man nicht ausschließen kann, dass Jürgen Conings weiterhin auf eine Gelegenheit lauert, um doch noch zuzuschlagen. Anscheinend werden in dieser Geschichte im Moment insgesamt zehn Personen von der Polizei geschützt. Man hat die wohl ermittelt anhand der Hinweise, die der Verdächtige in seinen Abschiedsbriefen hinterlassen hat. Der prominenteste Fall ist Marc Van Ranst. Nach Zeitungs-Informationen soll aber auch zum Beispiel ein Anwalt darunter sein.
Es bestehe aber kein Grund zur Panik, sagte Innenministerin Annelies Verlinden in der VRT. Man gehe sämtlichen Hinweisen nach, man schließe auch kein Szenario aus. Man wolle natürlich den Mann endlich finden, beziehungsweise wissen, wo er ist.
Debatte über Meinungsfreiheit entbrannt
In Flandern wird darüber diskutiert, was man sagen darf und was nicht. Das ist keine einfache Debatte, wie sogar die Leitartiklerin von Le Soir eingeräumt hat. Das ist bemerkenswert, denn oft sind es die Frankophonen, die da mit dem moralischen Zeigefinger an der Seitenlinie stehen und den Eindruck erwecken, die Flamen belehren zu wollen.
Kritiker werfen dem Vlaams Belang vor, Leute wie Conings sozusagen "geschaffen" zu haben - eben durch die permanente Berieselung mit rechtsradikalen Inhalten. Das weist die Partei freilich kategorisch zurück. Das Problem ist, und das heben viele Beobachter hervor: Es gibt eigentlich zwei Vlaams Belangs: Einmal die offizielle Parteilinie, repräsentiert durch den Vorsitzenden Tom Van Grieken- er ist sehr darauf bedacht, die Kanten abzurunden und möglichst keine klar rechtsextremen Äußerungen zu machen. Daneben gibt es aber einige namhafte Mitglieder des Vlaams Belang, beziehungsweise Leute, die auf einer Belang-Liste standen. Die zögern nicht, klar Farbe zu bekennen, gegen Ausländer zu hetzen und Lügengeschichten zu verbreiten.
Am Sonntag gab es in der VRT eine Debatte zwischen vier Parteivorsitzenden im flämischen Fernsehen, darunter Tom Van Grieken und auch der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever. Sie waren sich am Ende eigentlich einig, dass man eigentlich alles sagen darf - nur zur Gewalt dürfe man nicht aufrufen. Die ganze Debatte zusammenzufassen, das wäre nicht möglich. Aber, man hat nochmal ganz klar gesehen, wie schwierig es in einem Rechtsstaat ist, die Grenzen zu ziehen. Also, für den Vlaams Belang und die N-VA darf zum Beispiel auch Hassrede kein Problem sein, denn Hass sei nicht strafbar.
Der Vlaams Belang-Vorsitzende Tom Van Grieken hat aber mit einigen Aussagen gleich für neue Empörung gesorgt. In einem Zeitungsinterview hatte er erklärt, dass "christlich" und "weiß" die dominanten Faktoren in Flandern sein müssten. Das konnte man in der Samstagsausgabe der Wirtschaftszeitung De Tijd lesen. Auf zwei Seiten konnte Tom Van Grieken seine Ansichten ausbreiten. Da sagt er tatsächlich, dass er davon überzeugt sei, dass das Christliche, das Flämische, und - wenn man so will - selbst das Weiße ein dominanter Faktor in unserer Gesellschaft sein müsse. Afrika müsse dominant schwarz sein, Europa dominant weiß. Was aber nicht bedeute, dass alle Europäer weiß sein müssten, fügt er hinzu.
Was man aber festhalten muss, das ist, dass für Van Grieken die Hautfarbe offensichtlich sehr wichtig ist. Insofern wird das dann doch als eine Art Geständnis betrachtet. Zumal er sich auch nicht klar von der rassistischen Verschwörungserzählung distanziert, die vor einer sogenannten "Umvolkung" warnt.
Der Fall Conings schlägt auch politisch hohe Wellen.
Roger Pint
Eine starke Demokratie muss eine Partei wie den VB aushalten. Ansonsten stimmt was mit der Demokratie nicht.
Hier wird die falsche Debatte geführt. Man sollte eher diskutieren, warum VB und Konsorten soviel Zulauf haben.
Jede Debatte über die Meinungsfreiheit ist eine Meinungsfreiheit-Verhinderungsdebatte.