Es brodelt. Allerorten, hat man manchmal das Gefühl. Ein Sektor, auf den das aber ganz sicher zutrifft, ist der Kultur- und Veranstaltungssektor. Kaum ein anderer Bereich hat zugegebenermaßen so stark gelitten. Für kaum einen anderen Bereich hat es bisher so wenige Zugeständnisse und echte Perspektiven gegeben.
Kein Wunder also, dass den Betroffenen nach dem für sie wieder sehr mageren letzten Konzertierungsausschuss der Kragen geplatzt ist. Ab heute und bis zum 8. Mai führen deshalb 120 kulturelle Einrichtungen Veranstaltungen durch - unter dem Motto "#StillStandingForCulture". Auch wenn sie erklärt haben, dass diese Veranstaltungen unter Beachtung sanitärer Schutzmaßnahmen stattfinden werden, so widersetzen sie sich damit doch offen dem Staat. Der 1. Mai steht im Zentrum ihrer Protestaktion. Rund 90 Veranstaltungen sollen am Samstag stattfinden - trotz der Androhung von Kontrollen und vor allem Strafen - für die Organisatoren, die Künstler und auch das Publikum. Davon lassen sich manche Kulturschaffende aber demonstrativ nicht einschüchtern. Sie wollten öffnen, koste es, was es wolle. Man habe sogar Anwälte parat, um wenn nötig vor Gericht in Berufung zu gehen - und sogar, um dem Publikum im Falle einer Strafverfolgung beistehen zu können, heißt es.
Horeca-Sektor
Ein anderer Bereich, der den 1. Mai eigentlich zu seinem Kampftag gegen die Obrigkeit auserkoren hatte, ist bekanntlich der Horeca-Sektor. Zahlreiche Betreiber hatten angekündigt, mit der Öffnung ihrer Terrassen nicht wie vorgeschrieben bis zum 8. Mai warten zu wollen, sondern schon am 1. Mai loslegen zu wollen. Aus dieser Bewegung des zivilen Ungehorsams scheint aber die Luft ziemlich raus zu sein mittlerweile. Die Mehrheit der Gastronomen scheint es nicht darauf anlegen zu wollen, zumindest nicht für eine Woche Unterschied.
Dafür gibt es offenbar zwei Gründe. Zum einen ist mittlerweile mehrfach deutlich gemacht worden, dass Justiz und Polizei bei Verstößen durchgreifen werden - auch hier würden nicht nur den Betreibern saftige Geldbußen und Verfolgung drohen, sondern auch den Gästen. Neben Strafandrohung gibt es aber auch noch einen anderen Knackpunkt, der manchen Gastronom überzeugt haben dürfte: Das doppelte Überbrückungsgeld gibt es nur für diejenigen, die erst wie vorgesehen am 8. Mai wieder öffnen. Für Jonathan Servais, Restaurantbesitzer aus Lüttich und einer der Verantwortlichen des Kollektivs "Wallonie Horeca" war die Drohaktion aber trotzdem ein Erfolg. Servais glaubt nämlich, dass es ihnen so gelungen ist, den politisch Verantwortlichen Angst einzujagen und sie damit zu diversen Zugeständnissen zu zwingen.
Illegale Riesenparty "La Boum 2"
Dritter im Bunde der besonders unter der Corona-Krise leidenden Bevölkerungsgruppen sind schließlich die jungen Menschen. In diesen Kontext muss man, zumindest oberflächlich, die illegale Riesenparty "La Boum 2" setzen. Die soll angeblich ebenfalls am Samstag wieder im Brüsseler Bois de la Cambre stattfinden. Zur Erinnerung: Bei der ersten Ausgabe dieses über die Sozialen Medien organisierten Fake-Festivals waren bis zu 2.000 meist jugendliche Feierwütige aufgelaufen. Es kam zu schweren Ausschreitungen, die Polizei musste die Veranstaltung auflösen, rund 30 Menschen wurden insgesamt verletzt.
Das könnte im schlimmsten Fall aber nur ein Vorgeschmack sein auf das, was am Samstag passieren könnte. Als Facebook am Donnerstag endlich die Webseite für "La Boum 2" offline nahm, verzeichnete die Seite bereits 28.000 Follower und 9.000 Personen, die angeblich kommen wollten. Am Freitagvormittag ist übrigens auch schon eine Ersatzseite aufgetaucht, auf der sich innerhalb kürzester Zeit wiederum über tausend Menschen angemeldet haben. Die Polizei befürchtet außerdem, dass einige Menschen gezielt zum Randalieren und Krawallmachen kommen könnten.
Manche gießen da noch zusätzlich Öl ins Feuer. So wie etwa ein Brüsseler Anwalt, der im Internet verkündete, dass sich nicht die Feiernden illegal verhielten, sondern der Staat - und dass damit jegliche Geldbuße und Strafverfolgung hinfällig werde. Mehr noch, da sich der Staat im Unrecht befinde, seien es die Polizisten, die vor einem Strafgericht landen würden, wenn sie die Veranstaltung auflösten - behauptet zumindest der Anwalt.
Das sehen die Behörden aber definitiv anders. Stewards würden die Menschen im Bois de la Cambre zunächst auf die bekannten sanitären Schutzmaßregeln hinweisen, erklärte Brüssels Bürgermeister Philippe Close schon vor einigen Tagen in der RTBF. Wenn die Regeln nicht respektiert würden, dann werde die Polizei eingreifen. Das ist am Freitag auch noch einmal in einem gemeinsamen Kommuniqué des Bürgermeisters, der Staatsanwaltschaft und der zuständigen Polizeizone unmissverständlich klargemacht worden: Die Veranstaltung sei nicht autorisiert, die Polizei werde verstärkt vor Ort sein, um das Geschehen zu überwachen und bei Bedarf eingreifen. Teilnehmer riskierten Geldbußen, administrative Festnahmen und - wo nötig - die gesetzlich vorgesehene Strafverfolgung.
Es ist wohl auch kein Zufall, dass die Polizei ausgerechnet am Freitagmittag im Auftrag der Staatsanwaltschaft einen öffentlichen Fahndungsaufruf mit Fotos veröffentlicht hat - und zwar von vier Personen, die im Zusammenhang mit den Ausschreitungen bei der ersten La Boum-Party gesucht werden.
Keine Genehmigung für La Boum 2 - Teilnehmer riskieren Geldstrafe oder administrative Festnahme
Boris Schmidt