Was wird der Konzertierungsausschuss heute beschließen? Sehr viele Augen richten sich auf das Treffen der Vertreter aller Regierungen des Landes. Das gilt zum Beispiel für die Wirte und Restaurantbetreiber. Denn heute soll vor allem entschieden werden, welche Regeln bei der Wiederöffnung der Terrassen gelten werden: Wie groß muss der Abstand zwischen den Tischen sein? Wie viele Personen dürfen zusammensitzen? Wann muss geschlossen werden? Doch blickt auch der Kultur- und Veranstaltungssektor mit Spannung auf den Konzertierungsausschuss. Die Branche hofft auf einen konkreten Lockerungs-Fahrplan. Einige wollen sogar - egal, was heute beschlossen wird - am 30. April wieder öffnen. Das Ganze wird aber überschattet von den immer noch besorgniserregenden Corona-Zahlen.
Dilemma
Es ist ein Dilemma, wie es im Buche steht. Auf der einen Seite sind da die Gesundheitsexperten und auch das Krankenhauspersonal. Sie warnen eindringlich vor neuen Lockerungen. Denn: Die Zahlen sind nach wie vor sehr besorgniserregend. Der Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, der hat in den letzten Wochen nicht wirklich abgenommen. Entsprechend gibt es so gut wie keinen Puffer: Wenn die Zahlen noch weiter steigen, dann wird vielerorts quasi direkt die Belastungsgrenze erreicht, bzw. überschritten.
Nur wollen viele solche Warnungen offensichtlich nicht mehr hören. In einer RTBF-Reportage beklagten Krankenhausbedienstete, dass sie zunehmend das Opfer von giftigen Angriffen in Sozialen Netzwerken würden. Oft wirft man ihnen Panikmache vor, und dadurch verhinderten sie weitere Öffnungen. So ändern sich die Zeiten. Vor genau einem Jahr wurden die Pflegekräfte noch allabendlich beklatscht. Auf der einen Seite sind also diejenigen, die vor Öffnungen warnen. Auf der anderen Seite sind da aber diejenigen, die mit den Hufen scharren. Allen voran die Betreiber von Horeca-Betrieben, aber auch der Kultur- und Eventsektor.
Eins ist jetzt schon sicher: Die Politik wird es nicht allen recht machen können. Premierminister Alexander De Croo hat schonmal klargemacht, dass er sich weiterhin bei den Vorsichtigen einreiht: "Erwarten Sie keine neuen Maßnahmen und auch keine neuen Lockerungen", sagte De Croo in der Kammer. Die heutige Sitzung diene einzig dazu, die Beschlüsse von vor 10 Tagen auszuformulieren.
In erster Linie geht es hier also darum, die Bedingungen festzulegen, unter denen die Terrassen öffnen können. Also die Mindestabstände oder die maximal erlaubte Anzahl Personen am Tisch. Besonders strittig ist hier die Sperrstunde. Dass es eine geben wird, das gilt als sicher. Die Frage ist nur: Ab wann müssen die Bürgersteige hochgeklappt werden. In den Niederlanden oder in Luxemburg ist das schon um 18:00 Uhr der Fall. Hierzulande würde der Sektor demgegenüber am liebsten erst um 23:00 schließen. Die Wahrheit wird wohl irgendwo in der Mitte liegen.
Kultur fordert Perspektiven
Der Kultursektor, der wartet derweil immer noch auf wirklich konkrete Perspektiven. Der einzige Stichtag, der im Moment im Raum steht, das ist ebenfalls der 8. Mai. Dann werden wieder Veranstaltungen unter freiem Himmel mit maximal 50 Teilnehmern möglich. Für alles weitere wurde der Sektor auf "Anfang Juni" vertröstet, ohne dass das genau ausformuliert worden wäre. Das war beim letzten Konzertierungsausschuss vor 10 Tagen.
Genau diese Sitzung hat aber im Kultur- und auch im Eventsektor offensichtlich ein Fass zum Überlaufen gebracht. Die Branche hat einen eigenen Lockerungsfahrplan vorgelegt. Demnach würden schon im Mai Innenveranstaltungen mit 100 Teilnehmern und Events unter freiem Himmel mit 200 Personen möglich. Es folgen weitere Stufen, bis am 1. September dann alle Einschränkungen aufgehoben würden. Die Kulturminister aus dem Norden und aus dem Süden des Landes unterstützen offenbar diesen Plan.
Sollte die Politik ihn am Ende dennoch nicht beherzigen, dann will man auch hier den Aufstand proben. 80 Veranstaltungsorte haben angekündigt, am 30. April wieder zu öffnen. Komme, was wolle.Darunter ist auch das flämische KVS-Theater in Brüssel. "Wir werden ab der kommenden Woche wieder eine Aufführung zeigen", sagte Michael De Cock, künstlerischer Leiter des KVS, in der RTBF. Und dabei bleibe es. Das Ganze aber natürlich unter Einhaltung strikter Hygiene- und Abstandsregeln.
Doch was passiert, wenn die Polizei anrückt? "Wissen Sie", sagt Michael De Cock, "diesen Fall wollen wir uns gar nicht ausmalen. Das ist auch nicht der Punkt. Hier geht es nicht um zivilen Ungehorsam oder ein gleich wie geartetes Kräftemessen. Es gehe schlichtweg darum, dass die Politik versteht, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen Wege finden, um ab sofort unter sicheren Bedingungen Veranstaltungen stattfinden zu lassen."
Zumindest im Fall des KVS sind die Behörden mit einbezogen. Wahrscheinlich wird man das am Ende als eine "Testveranstaltung" anmelden, die genauen Modalitäten dafür sollen heute ja auch festgelegt werden. Nur wird auch nicht jeder der 80 Veranstalter, die in der nächsten Woche öffnen wollen, ein "Testevent" beantragen können. Das Ganze droht also doch auf ein Kräftemessen hinauszulaufen. Denkbar ist denn auch, dass der Kultur- und der Veranstaltungssektor bei diesem Konzertierungsausschuss nun also doch noch eine gewichtigere Rolle spielen könnten.
Roger Pint