"Wir verkaufen keine Tickets, sondern Erinnerungen" - ein zugegebenermaßen reichlich kitschiger Marketing Slogan. Aber Louis De Jaeger steht dazu. Er ist Mitgründer des jungen belgischen Unternehmens Moonlight Express, das groß ins Transport-Business einsteigen will. Und nicht irgendein Transport: Ein Nachtzug soll es sein. Ab nächstem Jahr soll er von Brüssel über Lüttich nach Berlin und anschließend weiter bis nach Prag fahren.
Moonlight Express versteht sich dabei als Dienstleister, der nicht selbst die Züge betreibt, sondern in erster Linie den kommerziellen Teil des Geschäfts abwickelt. "Wir machen alles bis auf die Technik. Wir fahren also nicht die Züge. Das machen Partner von uns. Wir sind quasi ein Hotel, ein Restaurant, und zufällig auch ein Fortbewegungsmittel." Das sind die ehrgeizigen Pläne dieses belgischen Start-ups. Wie gesagt, nächstes Jahr soll die Verbindung über Lüttich und Berlin an den Start gehen.
Quasi zeitgleich kündigte auch das niederländische Unternehmen European Sleeper eine ähnliche Verbindung an: In Zusammenarbeit mit dem tschechischen Transport-Unternehmen RegioJet wollen die Niederländer einen Nachtzug von Brüssel über Amsterdam nach Berlin und Prag anbieten. Der Zeitplan ist nach Unternehmensangaben schon fix: Genau in einem Jahr, im April 2022 soll es losgehen. Zunächst soll es drei Verbindungen pro Woche geben, später dann eine Verbindung pro Tag. Der Preis steht noch nicht fest, Ziel ist es, mit Flügen konkurrenzfähig zu bleiben.
Trendsetter ÖBB
Gleich zwei neue Anbieter für fast dieselbe Strecke? Louis De Jaeger verweist auf den Erfolg der Österreichischen Bundesbahn, die seit langem auf Nachtzüge setzt und seit einigen Jahren auch international expandiert. "Die Nightjets des ÖBB sind immer voll, das ist ein großer Erfolg." Außerdem will Moonlight Express seine Fahrpläne ideal für belgische Reisende gestalten - und sich so von der niederländischen Konkurrenz absetzen.
Die ÖBB gilt in Europa tatsächlich als Trendsetter. Mit dem Nightjet zwischen Brüssel und Wien brachte das Unternehmen nach Jahrzehnten auch wieder den ersten Nachtzug nach Belgien. Für ab 29 Euro reist es sich mittlerweile über Nacht von Brüssel bis in die österreichische Hauptstadt. Ein Bett im Zug gibt es ab 50 Euro. "Wir haben ein Doppelschlafabteil für 200 Euro", berichtet dieses britische Paar ÖBB-Reisender. "Aber wenn man bedenkt, dass das dann quasi ein Hotelzimmer plus Transport ist, ist das gar nicht so teuer."
Politische Unterstützung
Neue Nachtzugverbindungen haben auch grundsätzlich den Segen der Politik. Die EU will den Ausbau des Nachtzugnetzes ausdrücklich fördern und auch Verkehrsminister Georges Gilkinet ist ein großer Verfechter. Es habe schon Kontakt mit der SNCB wegen einer möglichen Zusammenarbeit bei der neuen Verbindung nach Prag gegeben, erklärte der Grüne am Dienstag. "Ich werde die SNCB in dem Bestreben, den Zug zur verantwortungsvollen, komfortablen und nachhaltigen Alternative zu Kurzstreckenflügen zu machen, voll unterstützen."
Demnach ist auch eine Nachtzugverbindung ins schwedische Malmö ab Sommer 2022 geplant. Hinzu kommt eine Verbindung von Paris nach Berlin mit Halt in Brüssel. "Das ist gut für die Reisenden und für die Umwelt", freut sich der Minister.
Peter Esser