Es ist ein bisschen das, was man manchmal als "perfekten Sturm" bezeichnet: ein Zusammenkommen verschiedener Faktoren, die zu etwas führen, was man vermeiden wollte. In diesem Fall, dass bei steigenden Corona-Zahlen viele Menschen auf engem Raum zusammengepfercht sind. Aber genau diese Gefahr bestand und besteht in den Zügen an und von der Küste. Auch, wenn nicht ganz so extrem, in den Orten selbst.
Den Ausschlag hat sicherlich das Wetter gegeben. Am Dienstag war es mit bis zu rund 23 Grad sogar der wärmste 30. März seit Beginn der Aufzeichnungen. Dieses gute Wetter soll nur bis Donnerstag halten.
Außerdem sind im Zuge der neuen Corona-Einschränkungen, der sogenannten "Osterpause", vielerorts die Schulen und auch Kindergärten seit Beginn der Woche geschlossen. Viele Berufstätige sind ohnehin wegen der Homeoffice-Pflicht zuhause. Die Menschen wollen also nachvollziehbarerweise raus. Das Verbot nicht-notwendiger Reisen ins Ausland gilt aber weiter. Damit ist man eben auf bestimmte Orte im Inland beschränkt.
Aber damit nicht genug. Am Montag war ja nationaler Streiktag, auch bei der Bahn. Damit war Reisen schwierig. Zu allem Überfluss, muss man fast sagen, ist die letzte Chance, um noch den kostenlosen Railpass der SNCB zu benutzen - die Freifahrten, mit denen der Staat der Tourismusbranche unter die Arme greifen wollte.
Man musste wahrlich kein großer Gelehrter sein, um den Druck vorherzusehen, konnte der Provinzgouverneur Westflanderns, Carl Decaluwé (CD&V), denn auch nur feststellen. Er fürchte schon die eigentlichen Osterferien. Er rief die Menschen schon am Dienstagmorgen auf, nicht mehr in diese Richtung aufzubrechen. Wobei man fairerhalber festhalten muss, dass die Lage trotz allem übersichtlich geblieben ist.
Eingreifen der Bahn
Das ist wohl auch dem relativ frühen Eingreifen der Bahn selbst zu verdanken. Denn es war sehr absehbar, dass es zu viel Andrang auf die Züge kommen würde. Viele Menschen aus dem ganzen Land wollten per Zug ans Meer fahren. Selbst noch am Lütticher Bahnhof wurde es deswegen voll. In den Brüsseler Bahnhöfen warteten selbst nach der Mittagszeit noch viele Passagiere auf einen Platz. An anderen Bahnhöfen war die Lage kaum besser. In Gent mussten Menschen sogar wieder aussteigen, weil die Züge zu voll waren. Das lag am Notfallplan, den die SNCB aktiviert hatte, um das Ganze zumindest in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Denn der sieht vor, dass bei vollen Zügen nur so viele Menschen einsteigen dürfen, wie vorher am gleichen Bahnhof ausgestiegen sind. Alle anderen eben auf einen Platz in einem nachfolgenden Zug warten müssen. Außerdem rief die Bahn auch dazu auf, eben nicht mehr ans Meer zu reisen. Sie setzte am Dienstagnachmittag drei zusätzliche Züge ein, um das Passagieraufkommen besser zu verteilen. Eines darf man bei alledem auch nicht vergessen: Die sogenannte "Fensterregel", mit der die Anzahl der Passagiere Richtung Küste während der Osterferien begrenzt werden soll, tritt nach wie vor erst am 3. April in Kraft.
An der Küste angekommen, wurden die Reisenden in Ostende beispielsweise von der örtlichen Polizei in Empfang genommen - um die aus den vollen Zügen strömenden Menschen sinnvoll über die Stadt und Strandabschnitte zu verteilen. Wenn Nichts getan werde, dann werde Ostende wieder von Menschenmassen überspült, erklärte Bürgermeister Bart Tommelein (Open VLD) in der VRT. Dann bekomme man das nicht mehr unter Kontrolle. Wie etwa im letzten Sommer, als es teils zu sehr großem Gedränge und selbst gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen war. Eine Wiederholung solcher Szenen wolle man unbedingt vermeiden, unterstrich Tommelein. Die Ordnungskräfte seien in höchster Alarmbereitschaft. Aber es waren durchaus nicht nur die Zugreisenden, die Tommelein im Blick hatte. Auch der Autoverkehr werde überwacht. Wenn es eben zu voll werde, dann müssten die Menschen wieder weggeschickt werden.
Wenn die Tagestouristen am Dienstagabend wieder zurück nach Hause strömen, wird die Bahn ebenfalls drei zusätzliche Züge einsetzen, wie Bart Crols von der SNCB erklärte. Dennoch sollten die Menschen versuchen, die Spitzenzeiten zu vermeiden.
Für den Abend und die Nacht erhalten Blankenberge und Ostende auch Verstärkung von der föderalen Polizei. Die Beamten sollen dabei helfen, sicherzustellen, dass alles ruhig bleibt. Bevor am Mittwoch die Lage vermutlich wieder ähnlich wie am Dienstag wird.
Boris Schmidt