Bewegungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit, Ausgangssperre, Lockdown, Kontaktblase - die Einschnitte in die Grundrechte sind seit Beginn der Epidemie bedeutend. Immer mehr Stimmen fordern eine demokratische Debatte und eine starke gesetzliche Grundlage.
Andy Jousten, Doktorand an der Uni Lüttich, hat sich mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen für die Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie befasst. Aus seiner Sicht hat das Parlament durchaus noch die Möglichkeit der Kontrolle. Aber: "Das Problem, auf das viele Verfassungsrechtler hinweisen ist, dass das Parlament keinen direkten Einfluss auf den Inhalt der Maßnahmen hat, sondern eigentlich immer nur im Nachhinein durch die Regierung informiert wird und danach erst die Möglichkeit hat, Fragen zu stellen", erklärt Jousten.
Kann man wirklich noch nach einem Jahr von einer Ausnahmesituation und von Dringlichkeit reden? Seit Beginn der Pandemie sind die gesetzlichen Grundlagen dieselben: Ein Gesetz von 2007 über die zivile Sicherheit ermöglicht unter anderem Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Wie Andy Jousten erklärt, sei das Gesetz sehr allgemein gestaffelt. Es bestehe aber eine gewisse Unsicherheit, ob es tatsächlich ALLE Maßnahmen begründen kann.
Auch wenn angekündigt, liegt das Pandemie-Gesetz noch immer nicht auf dem Tisch des Parlaments. Und eine Debatte hat folglich noch nicht stattgefunden. "Der Vorteil dieses Gesetzes ist, dass es eine Grundlage liefern könnte für die Einschränkungen, die wir momentan erleben und die vielleicht auch bei zukünftigen Pandemien notwendig sein könnten", so Jousten.
Ein weiterer Vorteil sei, dass bei Verabschiedung des Gesetzes eine Debatte stattfinden müsse bzw. eine transparente Vorgehensweise erforderlich sei. Das sei öffentlicher als hinter verschlossenen Türen. Daher auch der Unmut. Dieser sei aber auch Teil der Demokratie, so Andy Jousten. "Es ist wichtig, dass sich die zivile Gesellschaft Fragen stellt, die Maßnahmen kritisiert und so eine gewisse Reaktion bei der Regierung hervorruft." Die Debatte ist also eröffnet - oder auch nicht.
Chantal Delhez
Es wird schon seit einem Jahr mit der Demokratie in Belgien Schlitten gefahren (auch ohne Schnee). Seltsamerweise haben sich unsere Volksvertreter und die 4te Macht im Staate bisher dafür reichlich wenig interessiert und zogen es bisher vor tüchtig Angst zu schüren und alles unter dem Motto „Not bricht Gesetz“ als dringend notwendige Maßnahmen zu bewerten.
Nicht nur Belgien wandelt auf einem sehr schmalen demokratischen Pfad. Nur wie lange machen wir als Bevölkerung das alles noch mit. Ich denke nur die Rücksicht auf den Gesundheitssektor hält viele Menschen noch zurück. Wann werden endlich die Parlamente befragt. Es ist allerhöchste Zeit. Viele Menschen in Belgien werden sich fragen, warum gehen wir wählen.
Die Demokratie in Belgien kann man nur als Parteienoligarchie bezeichnen. Die Volksvertreter sind nur pro Forma gewählt. Ausgesucht wurden sie von den Parteien. Und daher ist es eigentlich egal, ob per Gesetz oder Erlass regiert wird.
Welche Demokratie ? Zählen wir die Zeit der Pandemie und die Zeit davor, als wir keine mehrheitsfähige Regierung hatten, zusammen, dann haben wir schon seit 2 Jahren diesen Zustand...
Was genau ist die Alternative? So strenge Maßnahmen herrschen zurzeit in Belgien doch nicht. Die Schulen sind offen, die Läden sind offen, die Frisöre öffnen demnächst. Maskenpflicht und abends nach 22 nicht draußen durch die Gegend rennen - höhlt die Demokratie aus? Das muss ja eine tolle Demokratie sein, die so schnell auszuhöhlen ist.