Es gibt wohl nicht viel, was potenziell nicht gefälscht und angeboten wird. Das gilt auch für die Corona-Krise. Als direkt zu Beginn der Pandemie Mundschutzmasken fast unmöglich zu bekommen waren, wurden die gefälscht. Gleiches gilt für die Desinfektionsmittel. Inzwischen gibt es auch gefälschte Test-Kits, negative Test-Bescheinigungen und sogar Impfnachweise. Dass früher oder später auch die Impfstoffe selbst gefälscht würden, war also logisch. Zu entsprechenden Fällen kam es bereits in China, Indien, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten. Und auch Europol hat letzte Woche von einem Fall berichtet. Wobei das wohl nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs ist, denn es handelt sich um ein Millionengeschäft.
Offensichtlich sind solche gefälschten Impfstoffe jetzt auch in Belgien aufgetaucht. Das teilte Sabine Stordeur von der föderalen Impf-Taskforce am Dienstag im Rahmen der Pressekonferenz des nationalen Krisenzentrums mit. Viele Details gab sie dazu aber nicht bekannt, lediglich, dass es sich anscheinend vor allem um Produkte russischer Herkunft handelt.
Über das Ausmaß des Problems kann man also nur spekulieren. Aber dass sich die Impf-Taskforce zu so einer öffentlichen Warnung genötigt gesehen hat, deutet wohl darauf hin, dass die Verantwortlichen das Problem als ernst genug betrachten.
Wie die RTBF am Nachmittag unter Berufung auf die Impf-Taskforce berichtete, sei ein Fall in Limburg gemeldet worden. Ein Tankstellenbetreiber habe berichtet, dass bei ihm ein Mann aufgetaucht sei, der versucht habe, angebliche Impfstoffe an Kunden zu verkaufen.
Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ist bereits aktiv geworden. Am Montag warnte es die Regierungen der EU vor Anbietern, die große Mengen Impfstoffdosen versprechen würden. Die Kriminellen wissen, dass der Druck, die Impfung der eigenen Bevölkerung möglichst schnell voranzutreiben, sehr groß ist. Groß genug, dass selbst Regierungen bereit sind, sich auf potenziell dubiose Geschäfte einzulassen.
Die Warnung der Impf-Taskforce richtet sich aber explizit an die Bevölkerung. Solche angeblichen Impfstoffe seien weder auf ihre Effizienz, noch auf ihre Sicherheit geprüft oder zugelassen worden. Deswegen werde eindringlich davon abgeraten, solche angeblichen Vakzine zu kaufen – weder auf der Straße, noch in Geschäften oder im Internet. Die einzigen Impfstoffe, die in Belgien bestätigt wirksam und sicher seien, würden in den Impfzentren, Krankenhäusern und Wohn- und Pflegezentren verabreicht. Und das kostenlos, betonte Sabine Stordeur.
Betrugsmaschen
Die Kriminellen geben sich potenziellen Kunden gegenüber oft als Vertreter von Pharmakonzernen aus oder als Personen mit Zugang zu Impfstoffen. Und dann gibt es verschiedene bekannte Varianten, wie der Betrug ablaufen kann. Eine Möglichkeit ist, dass die Täter das Geld kassieren und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, ohne eine Ware zu liefern. Eine andere Masche ist, dass Glasfläschchen mit irgendeiner durchsichtigen Flüssigkeit geliefert werden. Dann hat man noch Glück, wenn es sich nur eine harmlose Salzlösung oder Wasser handelt.
In anderen Fällen wurden Mischungen unbekannter Stoffe entdeckt. Und sich so etwas zu spritzen, kann sogar zu gesundheitlichen Folgen führen. Schließlich kann es sich tatsächlich um Impfstoffe handeln, die ursprünglich aus offiziellen Quellen stammen. Diese können beispielsweise aus der Lieferkette gestohlen oder anderweitig abgezweigt worden sein, oder sie waren wegen Problemen bei der Herstellung oder Lagerung eigentlich zur Vernichtung vorgesehen und sind stattdessen auf dem Schwarzmarkt gelandet. Oder es sind Impfstoffe, die in Europa nicht zugelassen sind - zumindest noch nicht, zum Beispiel chinesische und russische Produkte.
In all diesen Fällen ist die Verträglichkeit oder Wirksamkeit jedenfalls nicht gegeben. Von möglichen Verunreinigungen ganz zu schweigen. So gibt es etwa Berichte, dass Kriminelle sogar Krankenhausabfälle stehlen, um an die leeren Ampullen zu kommen.
Boris Schmidt