Andreas Cremer arbeitet als CEO der Febiac - der belgisch-luxemburgischen Automobil- und Zweiradindustrie - in einem Büro mit Blick über Woluwé St. Lambert. Zuvor hat er für Audi in Brüssel gearbeitet, bis 2009 war er Journalist beim BRF.
"Als Chef vom Verband leite ich diese Vereinigung, die als Zweck hat, die Interessen der Automobilindustrie zu vertreten. Das sind dann die ganz normalen Management-Aufgaben. Damit sich der Verbraucher da jetzt was drunter vorstellen kann: Wir sind ein Zusammenschluss von Automobilherstellern, Importeuren, National Sales Companies, Vertriebsgesellschaften von bekannten Automarken. Und als solche vertreten wir die gemeinsamen Interessen."
Aber was hat am Ende ganz konkret der Otto-Normalverbraucher davon, dass es diesen Verband gibt? "Im Endeffekt bekommt er bessere Produkte. Er bekommt die Produkte zeitig, es gibt keine Verzögerungen durch Gesetzesänderungen, die vielleicht verschlafen worden wären. Er bekommt auch das, was der Gesetzgeber sich für das jeweilige Land wünscht."
Brüssel ist ein gutes Beispiel, wenn es um das Thema "Autos in der Innenstadt" geht. Dieselfahrverbote, Fußgängerzonen und die ganz neue 30er-Zone - all das soll dafür sorgen, dass weniger Autos im Zentrum unterwegs sind. "Das sind politische Entscheidungen, die zu akzeptieren und zu respektieren sind. Wir hoffen, dass solche Entscheidungen immer im Dialog getroffen werden. Das ist auch eine Aufgabe für uns, nämlich, was hat dann der Verbraucher davon, wenn wir uns dafür einsetzen, dass Zufahrt mit dem Auto noch möglich ist."
Aufgrund der Corona-Maßnahmen sind natürlich auch die Febiac-Mitarbeiter im Homeoffice, das heißt leere Büros. Dabei sollte hier in diesen Tagen eigentlich Hochbetrieb herrschen, denn am Donnerstag wäre der Autosalon eröffnet worden. Daraus wurde nichts. "So eine große Veranstaltung - es ist die größte Massenveranstaltung in Belgien - wird monatelang vorbereitet. Wir haben da im März und April die Sache erstmal ruhen lassen. Nach dem Sommer gab es dann Hoffnung. Wir haben diskutiert und analysiert, dann haben sich aber die Zahlen derart verschlechtert, dass wir sagen mussten: Tut uns leid, wir verschieben aufs nächste Jahr."
Salonbedingungen
Trotzdem bieten die Hersteller gerade Salonbedingungen an. In den Prospekten fällt auf: Besonders Elektro- und Hybridfahrzeuge werden beworben. Aber ist das die Lösung, wenn es um die Umweltfrage geht? "Das sind technologisch hervorragende Produkte, die in bestimmten Gebrauchsumständen auch ökologisch sinnvoll sind. Es gibt bestimmte Produkte, wie effiziente Dieselfahrzeuge, die in der Langstrecke in der Ökobilanz deutlich besser sind als Elektrofahrzeuge. Allerdings ist es so, dass bestimmte Nutzungsumstände dazu führen, dass E-Autos deutlich im Vorteil sind. Zum Beispiel als Plug-In-Hybrid für kurze innerstädtische Strecken, dafür ist das die perfekte Technologie."
Die Popularität von E-Autos wächst auf jeden Fall. Jedes sechste neue Auto in Belgien ist ein Hybrid- oder Elektroauto. Und Stillstand, was die Entwicklung angeht, wird es in der Branche nicht geben. In Zukunft soll da noch mehr möglich sein. "Die Industrie hat da noch viel in petto. Da kommt autonomes Fahren, Connectivity, das ganze Thema Digitalisierung. Und dann die Frage des elektrischen Antriebsstrangs, oder bleiben wir beim Verbrenner? Was ist die Technologie der Zukunft? Ich bin sicher, da geht noch eine ganze Menge."
Auch für die Automobilindustrie war das letzte Jahr außergewöhnlich. Andreas Cremer findet trotzdem, dass sie mit einem blauen Auge davon gekommen ist.
Lena Orban