Wieder Bilder, die man nicht sehen will: Eine Horde wildgewordener Jugendlicher, die alles kurz und klein schlägt. Steine werden auf die Polizei geworfen, Polizeifahrzeuge beschädigt, ein Kommissariat wird angegriffen, dabei wird zu allem Überfluss auch noch Feuer gelegt. Guerilla-Szenen mitten in der Hauptstadt.
Auf einigen Bildern in Sozialen Netzwerken ist eine große Limousine zu sehen, die offensichtlich wegen der Ausschreitungen nicht mehr weiterkommt. Einer der Umstehenden erkennt plötzlich das Kennzeichen - es ist das Auto des Königs. Und das Staatsoberhaupt saß anscheinend sogar in dem Wagen. Zwar flogen tatsächlich einige Steine in diese Richtung, das seien aber "Querschläger" gewesen, da sich der Konvoi des Königs hinter den Linien der Polizei befunden habe, hieß es. Dennoch verleihen diese Bilder dem Ganzen natürlich noch einmal eine zusätzliche Prise Dramatik.
Diese Vorfälle seien aufs Schärfste zu verurteilen, waren sich jedenfalls Justizminister Vincent Van Quickenborne und Innenministerin Annelies Verlinden einig. "Zerstörung, Brandstiftung, Steinwürfe auf die Polizei, das alles ist völlig inakzeptabel", sagte Verlinden in der VRT.
Justizminister Van Quickenborne plädierte auf Twitter für Nulltoleranz. Die festgenommenen Unruhestifter müssten bestraft werden. 116 Krawallmacher waren von der Polizei in Gewahrsam genommen worden, unter ihnen auch einige Minderjährige.
Doch warum das alles? Über die Motivation der eigentlichen Unruhestifter kann man streiten, aber Fakt ist, dass vorher eine Kundgebung stattgefunden hatte, die am Ende offensichtlich aus dem Ruder gelaufen ist. Eine Demonstration zum Gedenken an Ibrahima Barrie. Der 23-Jährige mit guineischen Wurzeln war am vergangenen Samstagabend festgenommen worden.
Anlass war anscheinend eine banale Corona-Kontrolle: Die Polizei wollte wohl eine illegale Zusammenkunft auflösen. Dabei habe Ibrahima aber die Flucht ergriffen. Nach einer Verfolgungsjagd wurde der junge Mann gestellt und auf eine nahegelegene Polizeiwache in Schaerbeek gebracht. Im Kommissariat sei Ibrahima aber zusammengebrochen. Zwar wurde er noch in ein Krankenhaus gebracht, doch verstarb der junge Mann wenig später. Das war weniger als anderthalb Stunden nach seiner Festnahme.
Was ist da passiert? Das wollten auch die Demonstranten wissen, die eben lauthals "Gerechtigkeit für Ibrahima" einforderten. Vor allem verlangten sie eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir der Polizei nicht mehr vertrauen", sagte eine Demonstrantin in der VRT.
Dabei ist es nicht so, als werde der Vorfall nicht untersucht. Die Staatsanwaltschaft und auch das Komitee P, also die Kontrollbehörde für die Polizeidienste, haben Ermittlungen aufgenommen. Schon gleich nach dem Vorfall wurden auch schon eine Autopsie und eine toxikologische Untersuchung angeordnet. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor. Demnach wurden in Ibrahimas Blut keine Rückstände von Drogen nachgewiesen. Gestorben sei er an einem Herzstillstand, er habe im Übrigen an einem Herzfehler gelitten.
Doch erkläre das allein nicht seinen Tod, sagte Alexis Deswaef, der Anwalt der Familie von Ibrahima. Nachdem der junge Mann zusammengebrochen war, habe man ihn fünf bis sieben Minuten bewusstlos am Boden liegen lassen. "Man ließ ihn sterben", sagt Alexis Deswaef. Und warum hat man Ibrahima liegen lassen? "Weil er schwarz ist", glaubt die Familie. Und, das ist kaum zu bezweifeln, sagt der Anwalt: "Mit meinem Sohn wäre wohl nicht so umgegangen worden." Was da genau passiert oder nicht passiert ist, das werden die verschiedenen Untersuchungen also klären müssen.
Roger Pint