Dass sich der Sturm auf das Kapitol in der Kammer niederschlagen würde, war zu erwarten gewesen. Es war aber nicht etwa die geopolitische Bedeutung der Vereinigten Staaten, die daraus schnell eine doch hitzige Debatte werden ließ, sondern die Parallelen, die viele zwischen den USA von Donald Trump und ähnlichen Entwicklungen in Europa und auch Belgien sehen. Was die Abgeordneten aber auch nicht davon abhielt, mit scharfen Worten den Noch-US-Präsidenten anzugreifen.
Georges Dallemagne von der CDH wünschte sich von Premierminister De Croo nicht nur eine Verurteilung der Ereignisse in Washington. Vielmehr müsse De Croo einfach sagen, dass Trump ein Gesetzloser sei, dass er auch für die verbleibenden wenigen Tage seiner Präsidentschaft kein Ansprechpartner mehr sei, dass man nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle und dass er ganz sicher auch nie wieder in Belgien willkommen sein werde.
Andere wurden sogar noch persönlicher. Seines Präsidentenamtes unwürdig, ein "Loser", ein Verlierer, in allen Bedeutungen des Wortes, stichelte etwa Els Van Hoof von der CD&V. Die Worte der anderen Abgeordneten fielen nur bedingt schmeichelhafter aus. Und es waren nicht nur die Parlamentarier, die kein Blatt vor den Mund nahmen, auch die Kammervorsitzende Eliane Tillieux (PS) und der Premier selbst waren sehr deutlich.
Was aber die meisten Politiker immer wieder betonten, war die Gefahr durch Populismus und "Fake News", also Falschnachrichten. Am Mittwoch habe man gesehen, wie gefährlich es sei, jahrelang Hass, Spaltung und Populismus zu verbreiten und zu säen, sagte Melissa Depraetere von der SP.A. Vier Jahre davon hätten die Vereinigten Staaten an den jetzigen Punkt gebracht. Noch sei Belgien glücklicherweise nicht dort angelangt. Die Reise habe aber auch hier schon begonnen. Und man müsse sich diesbezüglich Sorgen machen, weil es Kollegen gäbe, die Fake News nicht nur nicht verurteilten, sondern sie sogar aktiv verbreiteten, so Depraetere, oder die die demokratischen Prinzipien des Landes lächerlich machten oder in Abrede stellten.
Kristof Calvo von Groen sprach von einem Virus des Hasses. Das könne Belgien nicht nur erreichen und befallen, sondern sei schon hier, im Land, sogar im Halbrund, im Kapitol des Landes, so Calvo.
Ähnlich äußerten sich auch die anderen Parteien. Deutliche Giftpfeile in Richtung vor allem der flämischen Rechten also. Und zwar nicht nur des Vlaams Belang, der bei der Verurteilung der Ereignisse in den USA demonstrativ als einzige Partei nicht einmal applaudierte, sondern auch der N-VA. Aus dieser Ecke war ja während der langen und zähen Regierungsbildung auch immer wieder der Vorwurf gekommen, dass die neue Föderalregierung illegitim sei, dass sie nicht den Wählerwillen im Norden des Landes reflektiere und ähnliche Argumente. Also nicht so furchtbar weit weg von Donald Trump und seinen Behauptungen, dass die Demokraten die Wahl gestohlen hätten und Joe Biden kein legitimer Präsident sei.
Wenig verwunderlich, dass N-VA-Kammerfraktionsvorsitzender Peter De Roover dünnhäutig reagierte. Wobei man auch daran erinnern sollte, dass in der Vergangenheit gerade in seiner Partei oft und laut Bewunderung für Trump geäußert worden war.
Zahlreich waren denn vor allem die Forderungen an De Croo, stärker gegen Hassrede und Fake News vorzugehen. Ein Punkt, der übrigens auch im Regierungsabkommen der Vivaldi-Koalition steht. Das wiederum sah die N-VA gar nicht gern, die sich wohl nicht ganz zu Unrecht ins Visier genommen sah. Peter De Roover warf De Croo und den Regierungsparteien vor, die Erstürmung des Kapitols instrumentalisieren zu wollen und quasi unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Desinformation die Meinungsfreiheit abschaffen zu wollen.
Auch von der PVDA-PTB kam Kritik. Besonders, nachdem De Croo mehrmals auf die Wichtigkeit eines vernünftigen und konstruktiven Umgangs miteinander hingewiesen hatte. Peter Mertens von der PVDA giftete daraufhin zurück, dass man ja dann mal damit anfangen könne, die nicht jede soziale Forderung oder Kritik an der Regierung aus seiner Partei als Populismus abzutun.
De Croo wiederum versuchte, die Vorwürfe der N-VA zu entkräften. Man müsse beim Kampf gegen Fake News behutsam vorgehen, es gehe auch nicht darum, der Demokratie, Menschen oder Medien einen Maulkorb zu verpassen. Es gehe um Desinformation, die absichtlich, systematisch und immer und immer wieder gegen bestimmte Gruppen oder Personen eingesetzt werde, die benutzt werde, um Zwietracht zu säen, um die Polarisierung voranzutreiben und Konflikte zu schaffen, erklärte De Croo.
Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger - Politische Reaktionen aus Belgien
Boris Schmidt