Ein Geschenk, das wir nicht ablehnen dürfen: So sieht Kaira aus Mons den Corona-Impfstoff. Die Krankenschwester arbeitet in dem wallonischen Pflegeheim, dessen Bewohnern am Montag als ersten der neue Impfstoff injiziert wurde.
Sehnsüchtig wartete Kaira am Montagmorgen auf die Lieferung. Als die in Kartons verpackten Ampullen gebracht und die ersten Spritzen aufgezogen werden, bricht Applaus und Jubel aus.
"Von nichts kommt nichts"
Ähnliche Szenen im Brüsseler Vorort Stockel und im flämischen Puurs: Insgesamt drei belgische Pflegeheime erhielten die ersten Lieferungen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Die 101-jährige Lucie Danjou ist die erste Brüsselerin, die geimpft wurde. "Natürlich sollten wir uns impfen lassen", sagt sie. Und wenn es wehtut? "Naja, von nichts kommt eben nichts."
Der Impfstart stellt für viele Belgier ein Lichtblick dar. Das zeigt auch eine Umfrage des Gesundheitsinstituts Sciencano, das 30.000 Belgier zu ihrem Wohlsein befragt hatte. 64 Prozent der erwachsenen Befragten gaben an, dass der aktuelle Lockdown an ihnen zehrt und dass ihnen die sozialen Kontakte fehlen. Die Hälfte der jüngeren Befragten sagte, sie seien unzufrieden mit ihrem Leben. Doch der Impfstart hebt die Moral der Belgier: 60 Prozent sind davon überzeugt, dass die Impfungen helfen werden.
Impfbereitschaft
Es herrscht also ein Gefühl der Erleichterung, ein Hoffnungsschimmer, dass die Corona-Pandemie dank dieses Mittels in absehbarer Zeit ein Ende finden könnte. Doch es bleiben noch viele Fragezeichen: Angefangen bei der Impfbereitschaft.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssen, um eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. In den nun belieferten Einrichtungen hat die überwältigende Mehrheit der Bewohner und des Personals der Impfung zugestimmt. Nächste Woche Dienstag beginnt die großflächige Impfkampagne in weiteren Pflegeeinrichtungen. Die belgischen Gesundheitsbehörden hoffen, dass möglichst viele dem Beispiel von Lucie folgen werden.
Lieferung wird Monate dauern
Dann wäre da noch die Verfügbarkeit des Impfstoffes. Die EU, die stellvertretend für ihre Mitgliedstaaten die Verträge mit den Herstellern abschließt, hat bislang nur Impfstoff für maximal 150 Millionen Menschen bei Biontech und Pfizer gekauft.
Wegen Einschränkungen bei der Produktion wird die Auslieferung mindestens Monate dauern. Ein zweiter Hersteller, die US-Firma Moderna, ist ebenfalls im Begriff, eine EU-Zulassung für ihren Impfstoff zu erhalten. Hier hat die EU sich mit denselben zeitlichen Einschränkungen Impfstoffe für maximal 80 Millionen weitere Menschen gesichert. Der britische Hersteller Astrazeneca hofft nach jüngsten Angaben ebenfalls auf eine rasche Zulassung und es gibt noch weitere Kandidaten.
Dennoch wird der Corona-Impfstoff mindestens für einige Monate noch ein knappes Gut bleiben. Einige Experten forderten vor diesem Hintergrund, zunächst nur eine Dosis pro Person zu verabreichen, obwohl nach vorliegenden Daten zwei Dosen für einen umfassenden Schutz nötig sind.
Der Corona-Sprecher der Föderalregierung Yves Van Laethem gab dem aber zumindest kurzfristig eine Absage. Die Zulassung sei von den zuständigen europäischen Behörden für eine Anwendung von zwei Dosen gewährt worden. "Jetzt von zwei auf eine Dosis umzustellen würde ernsthafte rechtliche Probleme bereiten."
Wirkung
Natürlich muss der Impfstoff auch wirken. Alle Tests weisen momentan daraufhin, sonst wäre er schließlich nicht zugelassen worden. Aber bei der ersten massenhaften Anwendung bleiben Unwägbarkeiten. "Wir hoffen, dass wir Anfang Februar und auf jeden Fall im März spürbare Veränderungen bei der Infektionslage der geimpften Population sehen werden und dementsprechend vielleicht auch eine Verbesserung der Todesraten in den Krankenhäusern", erklärt der Professor Jean-Michel Dogné, der unter anderem die Weltgesundheitsorganisation bei Impffragen berät.
Die aktuelle Entwicklung des Infektionsgeschehens ist zumindest in Belgien positiv. Die Fallzahlen sind zuletzt erstmals seit Monaten wieder gesunken. Auch die Sorgen vor einem Anstieg wegen der Weihnachtsfeiertage haben sich bislang nicht bestätigt.
Zukunft noch ungewiss
Für eine abschließende Bewertung ist es wohl noch zu früh, aber Yves Van Laethem geht zumindest davon aus, dass die strengen Corona-Regeln befolgt wurden. "Die Polizei hat einige Verstöße festgestellt, aber ehrlich gesagt nicht sehr viele", sagt auch Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke. "Wir können uns über diese Solidarität nur freuen, denn nur so können wir die Kurve nach unten biegen und schließlich in Kombination mit dem Impfstoff das Virus besiegen."
Gleich im Anschluss warnte der S.pa-Politiker dann aber vor dem anstehenden Silvesterfest. Durch große Feiern im ganzen Land könnte die Lage schnell wieder aus dem Ruder geraten.
Die Zahl der Neuinfektionen lag zuletzt bei rund 2.171 pro Tag. Das bedeute zwar einen Rückgang, aber trotzdem sei die Zahl noch sehr hoch. Man peile einen Durchschnittswert von unter 800 Neuinfektionen pro Tag an, so der Gesundheitsminister.
Einen konkreten Termin für Lockerungen der Maßnahmen wollte Vandenbroucke daher nicht nennen. "Das ist vielleicht frustrierend, aber wir wissen es nicht." Die letzte Ferienwoche müsse noch in die Bewertung der Lage aufgenommen werden, ehe man Schlüsse ziehen kann.
Vandenbroucke: Änderung des Impfschemas nur auf europäischer Ebene
rtbf/dm/js/rasch/pe
Der Anfang ist gemacht. Hoffentlich lassen sich genügend Menschen impfen.
Mit den Impfstoffen kommen auch die Verschwörungstheorien....
Hoffentlich büßen die Impfstoffe im Hinblick auf künftige Mutationen des Virus nichts von ihrer Wirksamkeit ein.
In London und Südostengland sind die Krankenhäuser an ihre Grenzen gelangt.
Wenn die neue Variante sich auch auf dem Festland ausbreitet (womit ich früher oder später rechne) und ihr durch die jetzigen Impfungen nichts entgegengesetzt werden kann, wäre das das Worst-Case-Szenario.
Wichtig wäre, dass seitens der Hersteller alsbald entsprechende Studien durchgeführt werden, die in dieser Frage Licht ins Dunkel bringen, damit wir nicht länger auf Mutmaßungen angewiesen sind.
Sofern eine Anpassung der Impfstoffe möglich ist, müsste zudem geklärt werden, ob bei einer Änderung des Serums jedes Mal ein mehrmonatiges Zulassungsverfahren durchlaufen werden muss oder ob jenes auch schneller durchgeführt werden kann.
»Noch schneller?«, werden da sicher einige Impfgegner einwenden, aber was hätten wir schon für Alternativen, wenn die Wirkung der bald auf den Markt kommenden Impfstoffe sich als zu selektiv erweisen sollte?