Flüge und Eurostar-Verbindungen zwischen Belgien und Großbritannien werden ausgesetzt, sagte Premier Alexander De Croo bereits Sonntagmittag. Die Notverordnung gelte ab Mitternacht und erstmal für die Dauer von 24 Stunden. Es sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, die abends dann auch vom Ministerrat bestätigt wurde.
Eine Vorsichtsmaßnahme als Reaktion auf die doch alarmierenden Meldungen, die am Wochenende aus Südengland kamen. Die britischen Behörden hatten über die Region inklusive London einen strengen Lockdown verhängt. Es gebe eine neue Variante des Coronavirus, die sich rasend schnell verbreite, hieß es zur Begründung. Sie sei bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannten Mutationen.
Erst kürzlich hatte der britische Gesundheitsminister Matt Hancock vollmundig erklärt, man habe die Lage im Griff. Mit dieser Aussage konfrontiert musste er am Sonntag in der BBC einräumen, dass man die Kontrolle über die neue Variante verloren habe.
Vorbeugeprinzip
Erst reagierten die Niederlande, später kappten auch Belgien und andere die Verbindungen zu den britischen Inseln. "Eine Reflexreaktion", analysierte der Virologe Marc Van Ranst in der VRT, verständlich natürlich, es gilt schließlich das Vorbeugeprinzip.
Der Mikrobiologe Emmanuel André sieht das ähnlich. Im Zweifel ist man besser erstmal vorsichtig, sagte André in der RTBF. "Man hat uns in der Vergangenheit zuweilen vorgeworfen, nicht schnell genug reagiert zu haben. Deswegen ist die jetzt getroffene Maßnahme absolut gerechtfertigt." Und jetzt habe man auch mal Zeit, sich das Problem genauer anzuschauen.
Im Fokus steht eine der vielen Mutationen des Coronavirus, die man schon isolieren konnte. Im vorliegenden Fall scheint es so zu sein, dass sich diese Variante schneller ausbreitet als die bisher bekannten. Viel Abstand haben wir aber noch nicht, sagt André. In einer Phase, er der die Infektionszahlen ohnehin stark ansteigen, ist das manchmal schwer zu sagen.
Zurückhaltung auch bei der Antwerpener Infektiologin Erika Vlieghe. Was die Frage nach der potenziellen Gefährlichkeit angeht, so seien sich die Experten noch nicht einig. Es herrsche aber doch allgemeine Besorgnis, weil diese Variante doch sehr schnell sehr viel Platz im Infektionsgeschehen in Großbritannien eingenommen habe.
Vier Fälle in Belgien
Nach dem Motto also: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Deswegen wurden eben alle Brücken zwischen Belgien und Großbritannien erstmal unterbrochen. Und wer am Wochenende noch von der Insel über den Ärmelkanal nach Belgien gekommen ist, muss in Quarantäne. Das gilt zwar sowieso, werde jetzt aber strikter kontrolliert, sagte Alexander De Croo.
Doch, kann man auf diese Weise wirklich verhindern, dass die neue Variante eingeschleppt wird? "Nein!", sind sich die Experten einig, denn wahrscheinlich ist das längst geschehen. Im Fall von Belgien kann man das "wahrscheinlich" streichen. "Wir haben bislang vier Fälle der neuen Variante entdeckt", sagte Emmanuel André. Bislang sorge diese Variante nicht für große Probleme - "wir beobachten die Lage aber sehr genau."
Kollege Virologe Marc Van Ranst ging noch einen Schritt weiter. "Wenn eine neue Variante irgendwo ins Netz geht, dann in Großbritannien", sagte van Ranst. "Weil man dort nach neuen Varianten sucht. Andere Länder tun das nicht, oder wie Belgien nur bedingt." Die neue Variante werde aber vermutlich auch in anderen Ländern nachgewiesen, wenn man gezielt danach suche.
Roger Pint
Die größte Gefahr für die weitere Entwicklung der Pandemie geht wohl nicht von der neuen Variante von Sars-Cov-2 aus, sondern vom bevorstehenden ... Weihnachtsfest.
Und von denjenigen, die - nachdem sie bereits alle bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bekämpft haben - jetzt auch gegen das Impfen zu Felde ziehen.