Die Fragestunde in der Kammer, am Tag vor einem Konzertierungsausschuss, da bekommt man schon so eine Ahnung von der Windrichtung. Zumindest war das bei den letzten Malen so. Auch diesmal wurde der Premier wieder von den Abgeordneten zur Tagesordnung des anstehenden Konzertierungsausschusses befragt.
Die meisten hatten nur eine Frage auf den Lippen: Welche Perspektive kann - oder sollte - man den Geschäftsleuten geben? Denn viele von ihnen stehen vor dem Abgrund, sagte die Défi-Abgeordnete Sophie Rohonyi. "80 Prozent befürchten, Konkurs anmelden zu müssen."
Alle sind sich einig, dass die Zahlen nach wie vor nicht wirklich gut sind. Belgien habe die Gefahrenzone noch nicht verlassen. Dennoch sei das für den Mittelstand eine sehr schwierige Periode, sagte auch die OpenVLD-Parlamentarierin Marianne Verhaert. "Vielen steht das Wasser bis zum Hals. Und soviel muss klar sein: Kein einziger Geschäftsmann will sich oder seine Kunden in Gefahr bringen. Kein einziger Geschäftsmann will einen möglichen dritten Lockdown riskieren."
"Eins ist sicher: Die Menschen brauchen Perspektiven, damit sie die harten Maßnahmen, die wir haben treffen müssen, durchhalten können", fügte Peter De Roover von der oppositionellen N-VA hinzu.
Folgenschwere Entscheidung
Über weite Strecken war zustimmendes Kopfnicken des Premiers zu sehen. Alexander De Croo erinnerte aber zunächst noch einmal an den Kontext, der nach wie vor alles andere als gut ist: "Belgien befindet sich nach wie vor in Covid-Phase vier - das ist die höchste Alarmstufe. Doch kann man das Glas ja auch halbvoll sehen: Die Zahlen haben sich in den letzten Wochen definitiv in die richtige Richtung bewegt. Belgien liegt auch nicht mehr europaweit an der Spitze, sondern hat sich ins Mittelfeld eingegliedert."
Doch auch dann wieder ein "aber", wie De Croo betont: "Das ist absolut kein Grund, um jetzt unvorsichtig zu werden. Viele Ampeln stehen noch auf rot. Und im Grunde wissen wir nur eins mit Sicherheit: Unsere Entscheidung von morgen, das kann eine folgenschwere sein. Treffen wir eine falsche Entscheidung, dann kann das dramatische Konsequenzen haben."
Klingt bislang nicht so, als gäbe es da großartige Spielräume. "Aber wir sind auch nicht blind", fügte De Croo hinzu. "Wir wissen, dass das eine schwere Zeit ist, für uns alle, aber ganz besonders auch für die Geschäftswelt." Und genau deswegen habe man ja von Anfang an gesagt, dass die Lockdown-Verordnungen Ende November bewertet und gegebenenfalls angepasst würden.
Trotzdem scheint der Premier dann doch noch seine Karten zumindest ein wenig aufzudecken. Zuallererst könne er nur feststellen, dass es vielen Geschäftsleuten ein wirkliches Anliegen ist, die Sicherheit aller zu garantieren. "Sollte man sich dafür entscheiden, die Geschäfte wieder zu öffnen, dann warten auf alle Beteiligten aber große Herausforderungen", sagt De Croo: "Auf die Geschäftsleute und auch auf die lokalen Behörden."
Im Klartext: Wenn die Geschäfte öffnen, dann nur unter strikten Auflagen. Es bräuchte strenge Hygienevorschriften für die Geschäfte. Von den Behörden würde ein entschlossenes Management der Menschenströme erwartet. Festzuhalten ist aber, dass De Croo das nicht prinzipiell ausschließt.
Kontaktbeschränkungen
In einem anderen Punkt war De Croo nämlich demgegenüber dann doch sehr deutlich: Für Weihnachten oder Neujahr sollte man keine Lockerungen der Kontaktbeschränkungen erwarten. De Croo brachte es auf eine einfache Formel: "Wir sollten nicht die Anstrengungen der letzten vier Wochen aufs Spiel setzen wegen vier Tagen".
Studien hätten im Übrigen gezeigt, dass die Mehrheit der Bürger das einsieht und sich auch darauf einstellt, dass Weihnachten intimer und vorsichtiger sein wird - und damit auch solidarischer den Schwächsten gegenüber. Er habe den Eindruck, dass wir das alle sehr gut begreifen, sagte De Croo.
Roger Pint