"Alle Geschäfte können wieder öffnen und auch die Dienstleistungen in Wohnhäusern können wieder aufgenommen werden - das alles aber unter Einhaltung strikter Hygiene-Prozeduren", kündigte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am Dienstagabend an.
Auch in Belgien dürften viele dem Mann aus dem Elyssée-Palast sehr aufmerksam zugehört haben. Wie heißt es so schön: "Wenn es in Paris regnet, dann nieselt es in Brüssel". Und das gilt im Umkehrschluss auch für freundlicheres Wetter. Im Klartext: Jeder weiß, dass sich in Belgien insbesondere frankophone Politiker sehr stark an dem orientieren, was im südlichen Nachbarland passiert.
David Clarinval, der unter anderem für den Mittelstand zuständig ist, sieht sich jedenfalls in seiner Haltung bestätigt. Der MR-Politiker hatte schon in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Corona-Maßnahmen insbesondere für die Geschäftswelt als zu streng erachtete. Er habe auch durchgesetzt, dass am 27. November eine Zwischenbilanz gezogen werden sollte - um dann zu prüfen, ob Lockerungen möglich sind, sagte Clarinval am Mittwochmorgen in der RTBF.
Er werde am Freitag dafür plädieren, dass die "nicht-unverzichtbaren" Geschäfte wieder öffnen dürfen. David Clarinval schwebt keine "bedingte" oder "teilweise" Wiedereröffnung der Geschäfte vor, sondern eine vollständige. Was im Moment im Raum stehe, also etwa, dass Kunden nur auf Termin empfangen werden dürfen, das reiche nicht, um die Geschäftswelt zu retten, sagt Clarinval. Wenn es auch schonmal ein guter Anfang wäre.
Und seiner Ansicht nach sollte eine Öffnung auch wirklich für alle Geschäftsleute gelten, die im Moment von den coronabedingten Schließungen betroffen sind. Also nicht nur die nicht-unverzichtbaren Geschäfte, sondern auch alle möglichen Dienstleister und natürlich auch die sogenannten Kontaktberufe wie Frisörsalons.
Zahlen sinken - Lage bei Nachbarn
Zwei wichtige Argumente bringt der MR-Minister vor. Erstens: Die Zahlen sind rückläufig, die Lage entspannt sich mehr und mehr. Und zweitens: Die Nachbarländer haben entweder ihre Geschäfte nicht geschlossen, oder sie haben gerade beschlossen, sie wieder zu öffnen. Und Belgien sei schließlich keine Insel. "Die Belgier werden schlicht und einfach ihre Einkäufe im Ausland machen", sagt Clarinval voraus.
Außerdem wiesen Studien immer wieder darauf hin, dass Geschäfte nicht der Ort sind, wo sich die Menschen vornehmlich ansteckten. Das Risiko sei sehr gering. "Man infiziert so gut wie nie, wenn man sich ein paar Schuhe kauft", sagt David Clarinval.
David Clarinval ist sich aber dessen bewusst, dass man jetzt nicht gleich alle Schleusen öffnen darf, zumindest nicht blindlings. Man müsse etwa auf die Virologen hören, wenn diese ein sogenanntes "Crowd-Management" empfehlen. Das bedeutet, dass größere Ansammlungen verhindert werden, etwa Menschentrauben vor Geschäften. Erreichen könne man das unter anderem auch durch eine flexiblere Handhabung des Ladenschlussgesetze, um dafür zu sorgen, dass sich die Kunden besser verteilen.
Gegenwind
Aber, so betont Clarinval, das sei bislang eben erstmal nur seine Meinung. Es gibt noch kein entsprechendes Abkommen. Premier Alexander De Croo und auch Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke hatten zuletzt den Ball eher flachgehalten. "Erwarten Sie nicht zu viel", zitiert die Zeitung Het Nieuwsblad nicht genannte Regierungsmitglieder.
Den wohl stärksten Gegenwind gibt es aber von denen, die am Ende immer die Scherben aufkehren müssen. "Lockerungen mit Blick auf die Endjahresfesttage: Tun Sie es nicht!", steht in fetten Buchstaben auf der Titelseite des flämischen Massenblatts Het Laatste Nieuws. Der Appell kommt von zwei Intensivärzten, die im nördlichen Landesteil sehr bekannt sind.
Nur eine Zahl, um deren Standpunkt zu begründen: Im Moment liegen immer noch mehr Covid-Patienten in den Krankenhäusern als auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Die Zeit sei einfach noch nicht reif für Lockerungen.
Roger Pint