Eine echte Grippe oder Influenza ist sicher nichts, was man sich wünscht. Die Symptome können nämlich sehr unangenehm sein. Pro Jahr sind in Belgien nach Angaben des Instituts für Volksgesundheit, Sciensano, im Schnitt etwa 500.000 Menschen von grippe-ähnlichen Erkrankungen betroffen. In einem von tausend Fällen verläuft die Erkrankung dabei so schwer, dass die betreffende Person ins Krankenhaus aufgenommen werden muss.
Prinzipiell gehört die echte Grippe in den allermeisten Fällen allerdings zu den eher nicht so gefährlichen Krankheiten. Bei bestimmten Risikogruppen sieht das aber deutlich anders aus. Bei den durch Influenza verursachten Todesfällen sind vor allem ältere Menschen am stärksten vertreten, nämlich die Altersgruppe über 65 Jahren. Aber auch für Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen kann die Grippe gefährlich werden.
Der einzig wirksame Schutz gegen Grippe besteht in einer Impfung. Aber weil die Erreger schnell und oft mutieren und es ohnehin eine Vielzahl verschiedener gibt, muss man sich jedes Jahr erneut gegen Grippe impfen lassen. Mit jeweils neu auf die saisonal auftretenden Viren angepassten Impfstoffen.
Priorisierung
In einem normalen Jahr lassen sich nicht übermäßig viele Menschen außerhalb der Risiko- oder bestimmter Tätigkeitsgruppen impfen. Und darauf sind die Kapazitäten auch ausgelegt. Allerdings ist 2020 in gesundheitlicher Hinsicht wegen der Coronavirus-Pandemie ein alles andere als "normales" Jahr. Viel mehr Belgier als sonst wollen sich dieses Mal gegen Influenza impfen lassen. Und das hat zu einem wahren Ansturm auf die Apotheken geführt. Deswegen war die Verfügbarkeit des Grippeimpfstoffes bereits eingeschränkt worden. Bis Mitte November sollten Risikogruppen und Gesundheitspersonal Vorrang bei der Zuteilung bekommen. Auch Menschen über 50 Jahren waren hier miteingeschlossen.
Die Versorgungslage hat sich aber mittlerweile so weit zugespitzt, dass sich die Gesundheitsminister zum Handeln gezwungen sahen. Wie die RTBF meldet, fehlen in den Apotheken über 90.000 Impfstoffdosen, um den bereits bekannten Bedarf zu decken. Insgesamt sind in Belgien 2,9 Millionen Dosen vorgesehen, also ohnehin nicht genug für die gesamte Bevölkerung. Nach den verschärften Vorgaben können jetzt dann auch gesunde Menschen zwischen 50 und 65 Jahren keinen Impfstoff mehr in der Apotheke reservieren lassen.
Dieser Mangel an Impfstoffen ist aber keineswegs ein rein belgisches Problem, wie Xavier De Cuyper, Leiter der Föderalen Agentur für Medikamente und Gesundheitsprodukte (AFMPS), in der RTBF sagte. Ganz Europa sei davon betroffen.
Sprecherin Ann Eeckhout von der AFMPS erklärte in der VRT auch noch einmal das Ziel: nämlich die zu beschützen, die am verletzlichsten sind. Und eines müsse man unbedingt vermeiden: dass die Krankenhäuser gleichzeitig mit Covid-19- und mit Grippe-Patienten überschwemmt werden. Und deswegen erfolgt die Abgabe der Impfstoffe eben in Phasen und prioritär nach Risikogruppe.
Durch diese Politik werde seiner Meinung nach das Ziel eines prioritären Schutzes der Risikopatienten erreicht, so De Cuyper.
In einem Monat soll die Lage dann neu bewertet werden. Falls dann noch Impfstoff da sein sollte, werde man die Kriterien auch wieder lockern. Dann könnten sich auch gesunde Menschen zwischen 50 und 65 wieder impfen lassen, so Eeckhout. Das Ziel sei schließlich nicht, den Impfstoff ungenutzt rumliegen zu lassen, unterstrich auch De Cuyper.
Verstöße
Derweil ist aber herausgekommen, dass es offensichtlich Verstöße gegen die Priorisierung der Impfstoffe gegeben hat. Lieven Zwaenepoel, Sprecher des Berufsverbands der selbständigen Apotheker (APB), beklagte am Donnerstagnachmittag in der VRT, dass es Unmengen solcher Meldungen gegeben habe. Demnach seien vor allem in Betrieben sehr viele junge und kerngesunde Menschen gegen Grippe geimpft worden.
Entsprechende Absprachen über die Priorisierung seien nicht respektiert worden oder vielleicht nicht zu allen Betriebsärzten durchgedrungen, so Zwaenepoel. Die noch vorhandenen Vorräte sollen jetzt umverteilt werden, damit eben besonders Risikopatienten und das Gesundheits- und Pflegepersonal geimpft werden können.
Boris Schmidt