Die Zahlen können entmutigen. Mit fast 690 sind am Dienstag mehr Menschen wegen Covid-19 in die Krankenhäuser eingewiesen worden als am bis dahin schlechtesten Tag im März. Erstmals seit Ende April sind am Montag auch wieder über 100 Sterbefälle an einem Tag registriert worden. Am Freitag kommt erneut der Konzertierungsausschuss zusammen. Und immer mehr Menschen befürchten, dass extreme Maßnahmen wie ein landesweiter allgemeiner Lockdown fast nicht mehr zu vermeiden sind.
Wie es wieder zu einer derart schlechten Lage kommen konnte, darüber wird heftig debattiert. Ebenso wie darüber, was man alles etwa beim Testen, der Nachverfolgung und der Durchsetzung der Maßnahmen verbessern müsste. Über eines sind sich aber eigentlich alle einig: Erst wenn es einen allgemein verfügbaren und wirksamen Impfstoff gibt, kann man wieder zu einem Leben zurückkehren, wie man es von vor der Krise kennt. Zumindest mehr oder weniger.
Länder und Firmen weltweit arbeiten fieberhaft daran, einen solchen Impfstoff zu entwickeln. Der entsprechende Druck ist riesig, ebenso wie die eingesetzten Ressourcen. Aber wann wird es endlich soweit sein, dass wir uns impfen lassen können? Das ist leider schwer mit Bestimmtheit zu sagen. Es reicht schließlich nicht, einen Impfstoff-Kandidaten zu entwickeln. Er muss ja auch möglichst sicher sein, sprich nicht nur gut schützen, sondern auch keine Nebenwirkungen haben. Und die Tests, die das sicherstellen müssen, brauchen ihre Zeit. Und man weiß nie, welche Probleme dabei eventuell auftreten können.
Ausgehend von den derzeit verfügbaren Informationen könne man relativ optimistisch sein, dass man ab dem kommenden Frühling einen Impfstoff haben werde, erklärte Xavier De Cuyper, Leiter der Föderalen Agentur für Medikamente und Gesundheitsprodukte (AFMPS), am Mittwochmorgen bei der RTBF. Er wolle zwar keine Wetten abschließen, aber er denke, dass in Belgien ab April 2021 ein Impfstoff verfügbar sein werde.
Wie dieser im Detail aussehen werde oder wer ihn wo herstellen werde, darüber könne man aber zurzeit wenig sagen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die Europäische Kommission arbeiteten hier zusammen, damit es keine Konkurrenz untereinander gebe. Und man habe Verträge mit verschiedenen Firmen abgeschlossen. Wegen der zahlreichen Unbekannten, die es bei der Entwicklung von Impfstoffen gebe, setze man auf eine ganze Reihe möglicher Stoffe. Einfach weil man bis zum Abschluss aller klinischen Studien nicht sicher sein könne. Man sei aber zuversichtlich, dass ein guter Kandidat dabei sein werde, so De Cuyper.
Gerade in Belgien gebe es im Bereich der Impfstoffforschung eine große Expertise. Neben Impfstoffen, die bereits nächstes Jahr verfügbar sein sollen, würde beispielsweise auch an einem Impfstoff gearbeitet, der dann vielleicht einen lebenslangen Schutz bieten könne.
Im Gegensatz zu den anderen, aktuell getesteten Impfstoffkandidaten. Die müssten, wie zum Beispiel der Grippe-Impfstoff, einmal pro Saison angewendet werden. Die Entwicklung des dauerhaften Impfstoffes werde aber, insofern sie von Erfolg gekrönt sein sollte, mindestens bis 2022 dauern, unterstrich De Cuyper. Und auch wenn man letztlich optimistisch sei, müsse man immer vorsichtig bleiben.
Vorsicht ist auch das Stichwort, dass vielen Menschen beim Gedanken an jeglichen Coronavirus-Impfstoff zuerst in den Sinn kommen wird. Schließlich reden wir hier von einem neuen Mittel. Xavier De Cuyper betonte aber, dass Impfstoffe grundsätzlich alle notwendigen Etappen durchlaufen müssten, bevor sie zugelassen würden. Man werde hier keinerlei Abstriche machen, nur weil man unter Zeitdruck stehe. Er versichere, dass man bei den Analysen und Bewertungen nicht weniger streng sein werde.
Es gebe bei den klinischen Studien auch unabhängige Sicherheits- und Kontrollmechanismen, weil man ein Risiko eben nie gänzlich ausschließen könne. Eines aber müsse man sich immer vor Augen halten: Auch wenn durch andere Medikamente die Virulenz eines Erregers verringert werden könne, bleibe ein Impfstoff, der dem Körper eine Immunität verleihe, immer die beste Antwort, so De Cuyper.
Boris Schmidt