Belgien und die Wallonie haben es zuletzt international in die Schlagzeilen geschafft. Eine traurige Leistung. US-Medien etwa betitelten Lüttich als die „kontaminierteste Stadt Europas“. In der Provinz sind 2,5 Prozent der Menschen erwiesenermaßen an Covid-19 erkrankt. Die Ansteckungsrate dürfte noch höher sein, da Menschen ohne Symptome schon gar nicht mehr getestet werden.
Örtlich sieht die Lage teils noch dramatischer aus. Für die Gemeinde Bütgenbach geht der Lütticher Mediziner Philippe Devos von zehn Prozent Infizierten aus. Belgien steht im internationalen Vergleich beim Anteil der Infizierten sehr, sehr viel schlechter da als die meisten Länder, erklärt der Arzt.
Dass vielerorts asymptomatische, potenziell Infizierte nicht mehr getestet werden, liegt vor allem daran, dass die Kontaktnachverfolgung bei so vielen Fällen nicht mehr möglich ist. Aber auch die Labore haben mittlerweile Schwierigkeiten, beim Auswerten der Tests Schritt zu halten.
Zu spüren bekamen dies in den letzten Tagen viele Reisende am Brüsseler Flughafen: Das dort eingerichtete Testzentrum ist überfordert. Die Ergebnisse der angebotenen Soforttests kommen häufig mit Verspätung. Eine Reisende berichtet, dass sie deshalb ihren Flug nach Casablanca verpasst hat, wo sie die Beerdigung ihres Bruders besuchen wollte: „Das Flugzeug ist jetzt weg. Aber wir sind ja nun keine Touristen. Wir reisen wegen eines Todesfalls. Das will niemand verstehen.“
Der wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo sieht bislang kaum Licht am Ende des Tunnels. „Das wird eine extrem schwierige Woche, denn wir befinden uns im exponentiellen Wachstum. Mathematisch ist es völlig klar, dass die Epidemie sich weiter ausbreiten wird. Ich erwarte deshalb leider dramatische Situationen, vor allem in den Krankenhäusern.“
Di Rupo möchte nichts mehr ausschließen. Eventuell könnten Hotelzimmer zur Behandlung von nicht schweren Corona-Fällen genutzt werden, schlägt er zum Beispiel vor. Größere Sorgen als die Verfügbarkeit der Betten macht dem Sozialisten allerdings die Belastung des Krankenhauspersonals. Hier gibt es deutlich weniger Spielraum. Wie auch während der ersten Corona-Welle im Frühjahr sollte etwa Pflege- und Medizinstudenten höherer Semester ermöglicht werden, bei der Versorgung mit zu helfen. Auch freiwillige Helfer seien überall gerne gesehen.
In Lüttich ist bereits damit begonnen worden, Kranke in andere Landesteile oder sogar ins Ausland zu bringen. Besonders in Frankreich spitzt sich die Lage derzeit aber ebenfalls dramatisch zu. Und auch innerbelgische Verlegungen sind auf Dauer vielleicht keine Lösung. In Flandern sieht es zwar im Moment besser aus. Aber Di Rupo geht davon aus, dass es nur eine Frage von Tagen ist, bis im Norden des Landes die Situation ebenfalls außer Kontrolle gerät.
Zu weiteren Maßnahmen äußerte sich der Ministerpräsident nicht konkret. Es werde aber natürlich darüber beraten, die Einschränkungen weiter auszudehnen. Einen zweiten kompletten Lockdown wie im Frühjahr, als die Geschäfte schließen und alle zu Hause bleiben mussten, schloss Di Rupa aber nach wie vor. „Es gibt die Gesundheitslage, aber auch weitere Befindlichkeiten wie die soziale, wirtschaftliche und mentale Lage der Bevölkerung. Wir wollen, dass sich die Gesundheitslage verbessert, während es grundsätzlich weiterhin möglich ist, sich frei zu bewegen.“
Peter Esser
Eben lief ein Bericht in den halbstündlichen Regionalnachrichten auf WDR 2, wonach im Raum Aachen die Kliniken so gut wie leer sind: Im Uniklinikum werden 8 Covid-Patienten behandelt, im Heinsberger Krankenhaus zwei (beide auf Normalstation).
Bei uns in Belgien droht dagegen in zwei Wochen der Kollaps, wenn die Kurve nicht abgeflacht wird.
Wenn die epidemologische Situation sich weiter verschärft können Sie nur hoffen, dass die deutschen Bundesländer einen Teil ihrer freien Kapazitäten belgischen Patienten zur Verfügung stellt.
Wenn ich mir die Lage hier ansehe:
An Covid erkranktes Ärzte- und Pflegepersonal muss weiter arbeiten, da ansonsten die Versorgung zusammenbrechen könnte, überforderte Politiker allerorten (siehe Bürgermeister Demeyer aus Lüttich, da sich darüber beklagt einen Streit über Infrastruktur mit Fedasil zu führen und die Armee bittet ihm eine Feldhospital aufzubauen). Der Lütticher Bürgermeister sollte sich mal lieber Fragen, warum er von Juni bis August seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und keine Eventualpläne in der Schublade liegen hat. Denn sonst hat die Armee bald nur noch einen Auftrag, jeden Tag hunderte Leichensärge zu den Krematorien zu fahren, wie in Norditalien im April.
Ende der Durchsage.
"An Covid erkranktes Ärzte- und Pflegepersonal muss weiter arbeiten, da ansonsten die Versorgung zusammenbrechen könnte..."
Das lese ich jetzt zum zweiten Mal.
Ich habe diesbezüglich zwei Fragen:
1. Stimmt das?
2. Wenn es wahr sein sollte, dürfen jene Ärzte und Pflegekräfte Kontakt zu nicht positiv getesteten Personen haben?
Ich kann es mir kaum vorstellen, dass ein normaler Bürger nach einem positiven Test in Quarantäne muss, und positiv getestete Ärzte sowie das Pflegepersonal dürfen Angehörige von Risikogruppen behandeln bzw. pflegen, bei denen kein positives Testergebnis vorliegt.
Sorry, aber unter solchen Voraussetzungen kann man ja gar nicht mehr ohne Angst vor einer Infektion zum Facharzt oder ins Krankenhaus.
@ Herr Jusczyk
Es gab gestern in der ARD einen Beitrag, unter dem Namen „belgische Kliniken am Limit“, wo dieser Punkt angesprochen wurde. Es gibt dazu auch einen entsprechenden TV Beitrag, am besten einfach mal anschauen.