Die dramatische Lage sorgt dafür, dass sich auch Medien aus Europa für Lüttich interessieren und unter die Lupe nehmen. Die BBC war bereits da, das deutsche Fernsehen und eine ganze Reihe anderer Fernsehanstalten, bestätigt Philippe Devos, Arzt auf der Intensivstation des CHC-Krankenhauses.
Der Vergleich mit der Lombardei, die auch bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr stark betroffen war, gefällt Devos nicht. Er hofft, dass man in Belgien und Europa wachgerüttelt wird. Am Mittwochabend lagen rund 100 Patienten auf einer normalen Station und 24 auf der Intensivstation. Im Krankenhaus herrscht Ausnahmezustand. Und der normale Betrieb ist eingestellt worden. Alle nicht dringenden Operationen sind gecancelt worden, damit das Krankenhaus in der Lage ist, neue Corona-Patienten aufzunehmen und zu behandeln.
Die Lage ist also sehr ernst. Und wenn man am Freitag die Schlagzeilen der Zeitungen sieht, dann ist sogar wieder von einem Lockdown die Rede. Das suggeriert jedenfalls Emmanuel André. Der Mikrobiologe, der bei der ersten Corona-Welle noch Sciensano-Sprecher war, sagt, dass wir die Kontrolle verlieren. Es müsse etwas geschehen. Gemeint ist eine Verschärfung der Maßnahmen. Wenn es nach André geht, lieber gestern als heute.
Aus politischen Kreisen heißt es aber, dass ein Lockdown noch nicht auf dem Tisch liegt. Klar ist, wer einen neuen Lockdown fordert, der macht sich nicht populär. Auch wegen der wirtschaftlichen Folgen.
Wirtschaftliche Folgen
Man braucht sich nur die Schlagzeilen anzuschauen. Die Staatsschuld übersteigt zum ersten mal den Wert von 500 Milliarden Euro, titeln L'Echo und De Tijd. Kein Wunder, dass die Regierung bremst. Sie will abwarten, was die aktuellen Maßnahmen bringen.
Und da gibt es zumindest ein Licht am Ende des Tunnels: Die Infektionszahlen steigen zwar weiter, aber nicht mehr in dem Tempo wie bisher. Besonders in Brüssel sei eine Verlangsamung festzustellen. Aber die Ansteckungszahlen steigen weiter.
Wirtschaftlich leidet das Land aber tatsächlich. Schlechte Nachrichten gibt es zum Beispiel im Modesektor. Jetzt wo Cafés und Restaurants geschlossen bleiben, bleiben die Menschen den Einkaufsstraßen fern. Ein Sektorverband meldet, dass sich die Verkaufszahlen halbiert haben. Da ist schon die Rede davon, dass man vielleicht den Winterschlussverkauf um einen Monat verschiebt - in der Hoffnung, dass man so noch einen Monat länger bessere Verkaufsmargen erzielen kann.
Manuel Zimmermann