Angesichts der immer weiter steigenden Corona-Zahlen ist die Frage eigentlich naheliegend: Ist das Virus etwa noch ansteckender geworden als im Frühjahr? Ist es mutiert und stecken sich deswegen immer mehr Menschen an? "Nein", ist die eindeutige Antwort der Gesundheitsexperten vom Nationalen Krisenzentrum. Das Coronavirus, das jetzt zirkuliere, sei prinzipiell noch immer das gleiche. Es ähnele sehr stark dem vom März und April, stellte der Virologe Steven Van Gucht klar. Auch von der Infektiosität her sei das jetzt zirkulierende Virus vergleichbar.
Was sich allerdings im Vergleich zur ersten Welle verändert habe, sei der Kontext, in dem das Virus operiere. Nicht seine Eigenschaften. Es sei jetzt eben Herbst. Und damit kälter und feuchter, so Van Gucht. Damit spiele sich das Leben der Menschen viel mehr drinnen ab. Und da könne sich das Virus schneller verbreiten. Wenn man sich mit anderen in geschlossenen Räumen aufhalte, könne man sich also viel leichter anstecken. Das sei allerdings nicht Corona-spezifisch, man kenne das Phänomen auch von anderen Viren, die die Atemwege befielen.
Schwieriger Winter
Das Virus liebe beengte Orte mit schlechter Belüftung, betonte auch der Infektiologe Yves Van Laethem. Das erkläre zumindest teilweise, warum sich das Virus gerade jetzt besonders stark ausbreite. Während der Hochphase der ersten Welle habe man sich bereits im Frühjahr befunden und sei sogar Richtung Sommer und schlechtere Bedingungen für das Virus gegangen. Jetzt sei es eben genau umgekehrt.
Und die Probleme, die die jetzige Witterung in Sachen Corona mit sich bringt, werden sich logischerweise mit Fortschreiten des Jahres erstmal nicht entschärfen. Ganz im Gegenteil. Das machte Steven Van Gucht unmissverständlich klar.
Alles deute darauf hin, dass der Winter die schwierigste Periode sein werde. Da werde man sich durchbeißen müssen, warnte der Virologe. Aber dafür könne es danach eigentlich nur besser werden.
Impfstoff im Frühjahr
Und das liegt nicht nur daran, dass auf den Winter zwangsläufig der Frühling und damit für uns bessere Witterungsbedingungen kommen. Aktuell liefen verschiedene große Studien mit unterschiedlichen Impfstoff-Kandidaten in der entscheidenden Phase drei, erinnerte Van Gucht. Die nächsten Monate sollten also die ersten Ergebnisse liefern. Und wenn alles gut gehe, das heißt, die Impfstoffe funktionierten und sicher für die Menschen seien, dann könnten in Belgien die ersten Impfkampagnen beginnen. Das sei nach jetzigem Stand für die frühe erste Hälfte des Jahres vorgesehen, genauer gesagt zwischen März und Juni 2021.
Als erste kämen dabei natürlich Menschen in den Genuss der Impfstoffe, die ein hohes Risiko hätten, besonders schwer an Covid-19 zu erkranken. Sprich Ältere und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Und auch das Personal des Gesundheitssektors werde höchste Priorität haben.
Frühling und Sommer sollten die Lage also entspannen. Allerdings sollten sich die Menschen jetzt trotzdem keine falsche oder zu einfache Vorstellung machen, warnte Van Gucht. Ein Impfstoff werde nicht plötzlich alles wieder gut werden lassen.
Man werde nicht einfach alle Schutzmaßregeln schlagartig und gleichzeitig fallen lassen können. Stattdessen werde es bestimmte Übergangszeiten geben müssen. Aber der Druck durch das Virus werde sich deutlich verringern durch die Impfungen und dadurch, dass Menschen bei warmem Wetter viel mehr ihr Leben draußen verbringen würden.
Man werde, falls nichts schiefgehe, ein Leben wiederfinden können, das viel mehr dem ähneln könne, was man aus Vor-Corona-Zeiten kenne, als jetzt, zeigte sich auch Yves Van Laethem positiv. Auch, wenn das vielleicht nicht für alle Aspekte des Lebens gelten werde, aber doch zumindest für zahlreiche.
Boris Schmidt