Im Schnitt sind es in Belgien mittlerweile rund 2.100 tägliche Ansteckungen mit dem Coronavirus. Wobei das nur Durchschnittswerte sind, es gab in der vergangenen Woche auch Spitzenwerte, die jenseits der 3.000 lagen. Und es ist eindeutig, dass die Kurven konstant aufwärts gehen. Das erklärte auch die Virologin und Mitglied des Beratergremiums für die Regierung, Celeval, Erika Vlieghe am Montagmorgen in der VRT.
Die Rufe, dass die Behörden eingreifen müssen, erklingen schon seit geraumer Zeit. Wohl auch unter diesem Eindruck hat sich Gesundheitsminister Vandenbroucke genötigt gesehen, die Menschen zur Vorsicht zu mahnen. Und neben einem allgemein umsichtigeren Verhalten hat er auch empfohlen, die engeren Kontakte jenseits des eigenen Haushalts auf drei zu beschränken. Die offizielle Regierungslinie nach der letzten Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, die noch immer gilt, hatte von maximal fünf Personen gesprochen.
Die Empfehlungen Vandenbrouckes waren persönlicher Natur - willkürlich gewählt hat er die Zahl drei aber nicht. Das erläuterte Erika Vlieghe. Diese Zahl stehe so nämlich auch im Celeval-Bericht. In orangen Zonen sollten die Menschen ihre engeren Kontakte auf drei begrenzen, in roten Zonen sogar noch mehr. Und für Gesundheitsminister Vandenbroucke sind viele Regionen Belgiens mittlerweile orange und manche sogar rot.
"Jeder spürt, dass die Situation dabei ist, aus dem Ruder zu laufen", sagte Vlieghe. "Und wenn das Haus in Flammen steht, dann muss man etwas unternehmen." Über "Löschmaßnahmen" müsse man aber gut nachdenken, damit sie auch effizient seien. Und es gebe verschiedene Möglichkeiten, um sinnvoll aktiv zu werden.
Informationskampagne
Das Personal des Gesundheitssektors stelle beispielsweise immer wieder fest, dass die Menschen, die jetzt krank würden, eigentlich oft viel zu wenig Bewusstsein für und Wissen über das Virus und die Pandemie hätten. Teils sei das aus Unwissenheit, teils seien die Menschen verwirrt von der Vielzahl an Schutzmaßregeln. Zum Teil sei aber auch die häufige Relativierung der vergangenen Wochen verantwortlich. Das habe dazu geführt, dass manche die Gefahr unterschätzt hätten.
Deswegen müsse eine neue starke und gezielte Informationskampagne für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen geführt werden, so Vlieghe. Und hierbei müsse man besonders an diejenigen Menschen denken, die man offenbar bislang nur schwierig erreicht habe.
Kommunikation beziehungsweise Information ist auch das Stichwort für den Epidemiologen Yves Coppieters. Er glaube nicht, dass die Kommunikation des letzten Nationalen Sicherheitsrates zu unvorsichtig oder zu wenig alarmierend gewesen sei, sagte er in der RTBF.
Man müsse die Kommunikation aber gezielter angehen - also spezifisch bestimmte Gruppen ins Visier nehmen, zum Beispiel die Jugendlichen. Mit dem Ziel, die sogenannten Sekundärinfektionen zu verringern, also die Verbreitung des Virus von den jungen auf die älteren Menschen. Ansonsten würden die Zahlen aus den Krankenhäusern weiter steigen.
Problem große Städte
Was die Empfehlung von Minister Vandenbroucke angehe, die respektiere er, so Coppieters. Allerdings sei die Fünferregel schon kompliziert gewesen. Und mit einer Reduzierung auf drei Personen werde es noch schwieriger werden, ein Sozialleben zu führen. Deswegen solle man eher über sektorielle Wieder-Einschränkungen nachdenken. Entsprechende Maßnahmen sehe man auch schon in anderen Ländern Europas, betonte Coppieters.
Anhand der Zahlen die Corona-Situation auf ganz Belgien verallgemeinern zu wollen, das mache keinen Sinn. Das Problem seien große Städte wie Brüssel und vielleicht auch Antwerpen. Hier müsse man eingreifen. Und zwar an allen Orten, wo Menschen drinnen aufeinanderträfen. Allerdings müsse man hier versuchen, möglichst Rücksicht auf das gesellschaftliche Leben und auch auf die Wirtschaft zu nehmen, ergänzte Coppieters.
Boris Schmidt