Der Bergriff "Vooruit" - also voraus oder vorwärts - steht zwar auf den ersten Blick für Zukunftsorientiertheit, was wohl eine besondere Dynamik und Elan ausstrahlen soll, er ist aber auch ein Verweis auf die Geschichte der flämischen Sozialisten. Der Name erinnert vor allem an die sozialistische Kooperative in Gent, die in der Vergangenheit die sozialistische Partei-Zeitung unter dem Namen "Vooruit" veröffentlicht hatte. Dazu gehörte auch ein Volkshaus mit Festsaal, wo Arbeiter zu sehr demokratischen Preisen essen, trinken und Kultur genießen konnten.
Die Gebäude gibt es noch immer. Heute ist es nicht mehr im Eigentum einer von Sozialisten gegründeten Volksgenossenschaft, sondern ein Kunst- und Kulturzentrum, das aber noch immer den gleichen Namen trägt. Die Zeitung gibt es zwar nicht mehr, aber in Deutschland ist "Vorwärts" ja schon seit über 200 Jahren die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie - ein Begriff mit sozialistischer Tradition also.
Keine Überraschung
Eine Überraschung ist die Namensänderung nicht. Der noch junge Parteipräsident Conner Rousseau hatte schon letztes Jahr im Juni über eine Namensänderung gesprochen und deutete an, dass es etwas werden sollte, wie "En Marche" in Frankreich, die Bewegung von Präsident Emmanuel Macron. Also Werbefachleute würden vielleicht sagen, dass der neue Name Tradition mit Ambition verbindet.
Überraschend ist aber dennoch der Moment der Bekanntgabe. Gerade jetzt ist Conner Rousseau als Preformator ja sehr damit beschäftigt, den Weg für eine neue Föderalregierung zu ebnen.
Das hat mehrere Gründe. Die Parteiführung hat die Entscheidung schon abgesegnet. Lokalsektionen waren auch schon informiert worden. Jetzt sollten noch die Parteimitglieder informiert werden. Und da lässt sich so eine Veränderung unmöglich geheim halten. Zudem hat ja der Parteichef der flämischen Christdemokraten den Begriff "Vorwärts" fast für sich vereinnahmt. Nämlich als er davon sprach, dass die mögliche Vivaldi-Koalition besser Avanti-Koalition heißen sollte. Avanti ist ja italienisch für Vorwärts.
Überraschend war eher, dass SP.A-Präsident Conner Rousseau die Information über die Plattform Instagram verbreitet hat. Üblicherweise erwartet man eher eine klassische Pressemitteilung, eine Meldung der Nachrichtenagentur Belga oder eine Nachricht über das bei Politikern beliebte Twitter.
Aber vielleicht ist es ja Taktik, die Nachricht dort zu verbreiten, wo sonst vor allem schöne Fotos und Filmchen veröffentlicht werden. Offenbar will man nicht altmodisch, sondern modern erscheinen. In einem flotten Zusammenschnitt kokettierte Rousseau damit, dass er den Namen "Vooruit" in den vergangenen Monaten schon öfter gebraucht hat.
Bis Ende des Jahres soll der neue Name in Kraft treten. Unklar ist, ob das typische Markenzeichen für viele sozialistische Parteien - die Rose - im Logo erhalten bleibt. Aber der Hashtag #samenvooruit - zu deutsch: zusammen vorwärts - wird schon länger in der internen Kommunikation oder auf Briefpapier genutzt.
Sich neu erfinden
Bei den flämische Sozialisten ist man wohl zu dem Schluss gekommen, dass die treuen Wähler immer weniger werden. Bei den letzten Wahlen lag die Partei so um die zehn Prozent.
Und im sogenannten linken Spektrum gibt es auch Konkurrenten, zum Beispiel die PVDA oder die Grünen, die irgendwie ein progressiveres Profil haben. Da will man etwas entgegensetzen, sich neu erfinden.
Die flämischen Sozialisten wollen eine Bewegung mit Blick auf die Zukunft sein, in der "alle fortschrittlichen Flamen" ein Zuhause finden, in dem "auf eine neue positive Art und Weise Politik gemacht werden soll". Soweit das Ziel.
Das ändern des Parteinamen ist aber in Belgien nichts Ungewöhnliches. In Deutschland heißen CDU, FDP und SPD schon seit eh und je so. In Belgien und besonders in Flandern hat es bei den Parteien aber schon so manche Namensänderung gegeben.
Die Liberalen von der Open VLD waren zuvor die VLD, und davor in den 70er und 80er Jahren die PVV (Partij voor Vrijheid en Vooruitgang), die Partei für Freiheit und Fortschritt. So heißen die ostbelgischen Liberalen heute noch. Die christdemokratische CD&V war mal die CVP. Die Grünen von Groen hießen zu Beginn AGALEV: Anders gaan leven - zukünftig anders Leben.
Die SP.A heißt auch erst seit 2001 Socialistische Partij Anders. Man hatte dem Kürzel auch die Bedeutung "Sociaal Progressief Alternatief/Soziale Progressive Alternative" gegeben.
Davor war es einfach die SP, die Sozialistische Partei. Man macht das also nicht zum ersten Mal. Früher gab es bei den traditionellen Parteien noch ganz andere Namen. Das war die Zeit, als es in Belgien noch Einheitsparteien für das ganze Land gab.
Reaktionen
Schaut man sich die Reaktionen auf die Namensänderung bei Twitter an, dann teilen sich die Geister. Die einen finden es ein starkes Signal, das an eine starke Vergangenheit erinnert. Andere sind nicht froh, dass der Begriff "sozialistisch" verloren geht.
Aber die größte Kritik kam vom eben erwähnten Kulturzentrum Vooruit in Gent. Die Leitung hat jahrzehntelang daran gearbeitet, das parteipolitische Image von sich abzuschütteln. Jetzt befürchtet Franky Devos, der Koordinator des Vooruit, dass die Menschen glauben, man sei nicht unabhängig. Devos ist enttäuscht und kann nicht verstehen, wie man eine Partei nach einem jetzt unabhängigen Kulturzentrum benennen kann. Er befürchtet, dass das für Verwirrung sorgen wird. Selbst juristische Schritte hat er nicht ausgeschlossen.
SP.A-Chef Conner Rousseau hat aber schon reagiert. Er ist davon überzeugt, dass die Menschen schlau genug sind, um den Unterschied zwischen einer Partei und einem Kunstzentrum zu machen.
Manuel Zimmermann
Diese Namensänderung ist eine gute Idee. Denn das Wort "sozialistisch" ist in vielerlei Hinsicht diskreditiert. Ist längst nicht mehr ein Ausdruck der Hoffnung auf eine gerechtere und bessere Zukunft. Es ist das Synonym für das gescheitertes Gesellschaftsmodell des zusammengebrochen Ostblocks; für die "Reformpolitik" (=Verrat an den kleinen Leuten) von Gerhard Schröder, Toni Blair und Konsorten; für eine Vielzahl von Skandalen in der Wallonie. Und in der DG trägt auch eine Partei die Bezeichnung "sozialistisch", die orientierlos wirkt, die gekennzeichnet ist von Stagnation und der der Mut zur Veränderung fehlt.