Mehr als zweieinhalb Jahre liegen die Vorfälle zurück. Zweieinhalb Jahre, in denen sich die Ermittlungen hinzogen und es offenbar keine Konsequenzen gab. Bis die Aufnahmen der Todesnacht in den Medien auftauchten und einen Eklat auslösten. Neben der eigentlichen Frage, ob hier ein Fall von Polizeigewalt vorliegt, ist es nämlich vor allem das Verhalten der Beamten, das für Empörung sorgt. Stichwort "Hitlergruß".
Schnell wurde die Frage laut, warum nicht versucht worden war, das Geschehene rasch aufzuklären. Waren doch erstens Angehörige der Sicherheitskräfte betroffen und handelte es sich zweitens um einen Vorfall, der auch diplomatisch Staub aufwirbelte.
Am Mittwoch kamen dann die zuständigen Kammerausschüsse zusammen, um Innenminister De Crem und Justizminister Geens zu befragen. Neben den Ereignissen an sich stand vor allem die Frage im Raum, wer wann was gewusst hatte. Und hier wurde es brisant. Innenminister De Crem erklärte nämlich, dass sein Amtsvorgänger Jambon, in dessen Zeit der Tod von Jozef Chovanek fällt, oder zumindest dessen Kabinett im Bilde gewesen seien.
Genau das hatte Jambon aber zuvor dementieren lassen. Nach den Aussagen De Crems in der Kammer vollzog Jambon eine Kehrtwende und gibt jetzt an, sich nicht mehr erinnern zu können, ob er von seinem Kabinett über den Tod Chovanecs in Kenntnis gesetzt worden war. Dass das Kabinett Bescheid wusste, steht mittlerweile außer Zweifel. Erst am Donnerstagmorgen konnte die VRT E-Mails einsehen, die das belegen. Jambon besteht weiter darauf, dass weder er, noch seine Mitarbeiter Fehler gemacht hätten. Aus dem Bericht der Polizei sei die Tragweite des Falls nicht erkennbar gewesen. Diese Interpretation teilt auch CD&V-Justizminister Koen Geens.
So oder so hat das Ansehen Jambons aber bereits gelitten. Wenn es stimmt, dass er persönlich von nichts wusste, dann muss er sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen, sein eigenes Ressort nicht unter Kontrolle gehabt zu haben. Für Jambon, der sich selbst ja gerne als der "starke Jan" darstellt, eine empfindliche Demütigung. Und für die Opposition natürlich ein gefundenes Fressen.
Die Grünenabgeordnete Jessika Soors etwa, die auch im Kammerausschuss für Inneres sitzt, konnte in der VRT nur feststellen, dass Minister schon wegen weniger zurückgetreten seien und dass die Glaubwürdigkeit Jambons beschädigt sei. Letzteres sieht auch die SP.A-Fraktionsführerin im flämischen Parlament, Hannelore Goeman, so. Sie forderte eine gründliche Aufarbeitung, um herauszufinden, ob Jambon gelogen hat oder nicht. Notfalls mithilfe eines Untersuchungsausschusses. Auch die PVDA und der Vlaams Belang zeigten sich kritisch.
Eindeutige Rücktrittsforderungen an Jambon wollte bislang aber keine der Parteien stellen, entweder weil man erst auf die Befragung in der Kammer nächste Woche warten möchte oder weil Jambon eben nicht mehr föderaler Innenminister ist, sondern flämischer Ministerpräsident.
Die OpenVLD hatte sich noch am Mittwoch in der Kammer ebenfalls sehr kritisch gezeigt. Aber nach einem Gespräch mit N-VA-Parteichef Bart De Wever wollen sich die Liberalen, die in Flandern ja mit in der Regierung sitzen, dem Vernehmen nach ab jetzt zurückhalten. Zumindest bis Jambon in der Kammer befragt worden ist. Möglicherweise spielen hier auch die weiter laufenden Bemühungen des OpenVLD-Vorsitzenden Egbert Lachaert um eine Föderalregierung mit hinein.
N-VA und CD&V stärken Jambon den Rücken
Und auch der andere flämische Koalitionspartner der N-VA, die Christdemokraten von der CD&V, wird Jambon vorerst nicht in den Rücken fallen. Für Franky Demon, der für die CD&V im Kammerausschuss für Inneres sitzt, ist das Ganze nämlich noch kein größeres politisches Problem. Weil noch nicht erwiesen sei, dass Jambon oder sein Kabinett über das Fehlverhalten der Beamten im Bilde gewesen seien. Und er persönlich habe den Eindruck gehabt, dass Jambon tatsächlich von nichts gewusst habe.
Die N-VA steht derweil natürlich fest hinter Jambon. Der flämische N-VA-Vizeministerpräsident Ben Weyts verteidigte die Linie Jambons, dass der nichts gewusst habe und deshalb auch nicht habe reagieren können. Schuld seien unzureichende Berichte an Jambon und sein Kabinett gewesen.
Weyts vermutet sogar politische Abrechnungen als Motiv hinter dem, was er als Kampagne gegen Jambon sieht. Er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier auch Ereignisse auf der föderalen Ebene und bei den Regierungsverhandlungen eine Rolle spielten, so Weyts.
Boris Schmidt
Das ist einfach nur schlecht, stillos und an Dreistigkeit nicht zu überbieten was Jan Jambon hier abliefert.
Immer die Klappe aufreißen wenns in seiner Rolle als flämischer MP geht und ein Vorgang, der in seine Zeit als föderaler Innenminister fällt, da leidet Herr Jambon an kollektiver Amnesie. Das ist die widerliche Doppelmoral verantwortungsloser Politiker, die sich schon lange nicht mehr für das Land interessieren, sondern nur für den eigenen Geldbeutel.
Auch wenn Jan Jambon nicht oder nur unzureichend über diese Causa informiert wurde, trägt er komplette politische Verantwortung. Nach Maßstäben von Moral und Anstand kann es nur eine richtige Entscheidung geben: Rücktritt!
Mal wieder so eine Geschichte, die die politische Glaubwürdigkeit in Frage stellt.