Die Uhr tickt. Am Samstag müssen Bart De Wever und Paul Magnette dem König einen neuen Zwischenbericht vorlegen. Ihr Auftrag ist es, eine "stabile Mehrheit" auf die Beine zu stellen. Die Grünen haben aber ziemlich schnell abgewunken.
Deswegen bleibt es erstmal immer noch bei den fünf Parteien, die im Moment im Boot sind: Sozialisten (SP.A-PS), Christdemokraten (CD&V-CDH) und N-VA. Aber weil die fünf zusammen keine Mehrheit im Parlament haben, fehlt immer noch ein zusätzlicher Partner. Das könnten - beziehungsweise müssten - dann doch wieder die Liberalen sein. Eine andere Möglichkeit haben die beiden Vorregierungsbildner nicht. Am Mittwoch hieß es, dass sie nochmal mit den Liberalen sprechen wollen. Von einem offiziellen Termin hat man aber bislang nichts gehört.
Und auch da gibt es dasselbe Problem wie vor einer Woche: Die Liberalen gibt es nur "im Paket" - beide oder keinen. Vor allem die MR hat in den letzten Tagen nochmal klargemacht, dass die beiden Parteien als Einheit auftreten, dass man sie also nicht auseinanderdividieren kann.
Was dagegen spricht
Erstes Problem: Mit den beiden liberalen Parteien würde die Mehrheit "zu komfortabel". Wenn beide mit ins Boot genommen würden, dann würden alle anderen Parteien bis auf die N-VA überflüssig. Sie riskieren, irgendwann zu hören: "Wenn's euch nicht passt, dann könnt ihr ja gehen". Genau das ist Ecolo im Jahr 2003 passiert. Die Partei war für die Mehrheit nicht nötig, und das hat man sie spüren lassen.
Zweites Problem, das in der Politik auch immer eine Rolle spielt: Wenn zu viele Parteien am Tisch sitzen, dann wird die Verteilung der Posten schwieriger. Die Kuchenstücke werden ganz einfach kleiner.
Und es gibt noch ein drittes Problem - inhaltlicher Natur. Und das weiß man, weil Teile der Note von Bart De Wever und Paul Magnette durchgesickert sind. Inzwischen ist klar geworden, dass diese Note eigentlich ein Deal nur zwischen diesen beiden Parteien ist. Grob gesagt: Die N-VA kriegt ihre Staatsreform, die PS kriegt ihre sozialen Maßnahmen, wie z.B. eine Erhöhung der Renten oder eine Refinanzierung der Sozialen Sicherheit.
Ob hier wirklich ein Gleichgewicht entstanden ist, darüber wird auf frankophoner Seite schon gestritten. Dort sehen viele die Waage in Richtung N-VA ausschlagen.
Inhaltliches Problem
Das eigentliche Problem liegt aber anderswo: Wenn man die Liberalen mit ins Boot nimmt, dann gerät dieser Deal in Gefahr. Auf der einen Seite wäre den Liberalen diese Note zu sozial, da müssten also einige Schrauben angezogen werden. Auf der anderen Seite wäre die Note den Liberalen aber auch zu "konföderalistisch", weil doch sehr viel von "Spaltung" die Rede ist. Und die beiden liberalen Parteien wollen eher den Föderalstaat stärken.
Wenn die Liberalen inhaltlich mitdiskutieren, müsste der ganze Deal wieder aufgedröselt werden. Das wäre einfacher, wenn man nur mit einer Partei verhandeln muss statt mit einem soliden Zweierblock.
Aber es gibt noch ein anderes Problem, und das heißt Georges-Louis Bouchez. Der junge, umtriebige MR-Präsident ist quasi schon jedem anderen Parteivorsitzenden kräftig auf den Zeiger gegangen. Bouchez hat sich nicht unbedingt beliebt gemacht, vor allem, weil er zu einer gewissen Selbstinszenierung neigt.
Bouchez ein "rotes Tuch"
Hinzu kommt, dass Georges-Louis Bouchez auch inhaltlich in einigen Punkten viel klarer positioniert ist. Er hat ja schon gesagt, dass er "Unionist" ist, dass er also eine Rückkehr zum Einheitsstaat bevorzugen würde. Mit Bouchez ist demnach eine weiterführende Regionalisierung nicht zu machen. Deswegen ist er vor allem für De Wever ein Rotes Tuch.
Wenn es stimmt, was man liest und hört, dann sieht die Note von Bart De Wever und Paul Magnette faktisch eine Spaltung von Bereichen wie der Justiz oder auch der inneren Sicherheit vor. Das ist für die frankophone Seite schon starker Tobak.
Eine Regierung um die Achse N-VA-PS ist dann doch nicht so einfach, wie es am 20. Juli plötzlich aussehen konnte. Am Ende ist es vielleicht auch nur eine Episode, aber noch nicht das Ende der Geschichte.
Roger Pint