Im Grunde hatte Gesundheitsministerin Maggie De Block am Dienstag schon die Erwartungen deutlich gedämpft. "Vorsicht bleibt das Gebot der Stunde. Das Virus ist nicht im Urlaub. Und, wenn das so bleibt, dann können die geplanten Lockerungen nicht in Kraft treten."
"Wenn das so bleibt", damit meint die Gesundheitsministerin in erster Linie die steigende Zahl der Neuinfektionen. Am Dienstag belief sich der Zuwachs "mal eben" auf elf Prozent. Gut, elf Prozent, das ist relativ, zumal dann, wenn es um kleine Zahlen geht. Dennoch: Der Trend setzt sich am Mittwoch fort. Wieder ein leichter Anstieg der Neuinfektionen: In den letzten sieben Tagen waren es durchschnittlich 96 pro Tag.
"Das ist jetzt wohl die neue Situation", sagte leicht resigniert der Virologe Marc Van Ranst in der VRT. Wir hatten uns inzwischen daran gewöhnt, dass die Zahlen mit jedem Tag immer weiter brav abnahmen. Irgendwann ging's aber nicht mehr weiter runter. Und jetzt müssen wir leider feststellen, dass die Kurve wieder nach oben zu zeigen beginnt.
Und, leider ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch wieder in den Krankenhäusern bemerkbar machen wird. Es stehe zu befürchten, dass die steigende Zahl der Neuinfektionen in ein, zwei Wochen auch zu einem Anstieg der Zahl der Krankenhausaufnahmen führen wird, sagte Marc van Ranst. Das wäre logisch, wobei wir das hoffentlich doch noch verhindern können.
Nicht der Zeitpunkt für neue Lockerungen
Einige Gesundheitsexperten sind sogar der Ansicht, dass das die Vorboten der gefürchteten zweiten Welle sind, dass die im Grunde schon begonnen hat.
Marc Van Ranst kann der Gesundheitsministerin denn auch nicht widersprechen, wenn sie sagt, dass geplante Lockerungen womöglich verschoben werden müssen. Im Moment seien die Spielräume sehr klein. "Das ist nicht der Zeitpunkt für großartige neue Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen", sagt Van Ranst.
"Hier hat die Ministerin recht", sagt Van Ranst, "wobei: Eine Ministerin hat ohnehin immer recht". Das ist ein kleiner, aber feiner Seitenhieb an die Adresse nicht nur der Gesundheitsministerin, sondern der Politik insgesamt. Van Ranst war ja einer von drei Virologen, die den politisch Verantwortlichen im Corona-Sonderausschuss des flämischen Parlaments gehörig den Kopf gewaschen hatten. Am Dienstagabend wiederholte er noch einmal den Kernvorwurf: "Wir sehen hier ein Orchester ohne einen Dirigenten, und nicht jeder spielt dieselbe Partitur".
"Vorsicht!", sagt Van Ranst: Er zweifele bestimmt nicht an den lauteren Absichten eines jeden. Hier fehle es nicht an gutem Willen. Nur ändere das eben nichts am Resultat. Zeitungen sprachen auch schon von einer "Corona-Kakophonie".
Eventsektor scharrt mit den Hufen
Wenig Spielräume also für den Nationalen Sicherheitsrat. Die Erwartungen sind demgegenüber enorm. Vor allem der Eventsektor erhofft sich Perspektiven. Die Veranstalter von Großereignissen wie Konzerten oder Handelsmessen brauchen Planungssicherheit. Und mit ihnen auch all die Sektoren, die der jeweiligen Branche zuarbeiten: Konzerttechniker, Messebauer, etc.
Geplant ist ja, dass schon bald weitere Lockerungen in Kraft treten sollen. Im Moment sind bis zu 200 Personen bei Innenveranstaltungen erlaubt und maximal 400 bei Außenevents. Der bisherige Zeitplan sah vor, dass diese Zahlen ab dem 1. August verdoppelt werden. Insbesondere der flämische Ministerpräsident Jan Jambon hatte im Vorfeld gefordert, dass man an diesem Timing festhalten sollte. Der Nationale Sicherheitsrat hat also wieder eine Reihe von heiklen Abwägungen vorzunehmen.
Man wird aber auch verlorenes Vertrauen zurückgewinnen müssen. Vor allem das Kommunikationschaos der letzten Tage sorgt am Mittwoch für beißende Kritik in der Presse. Mission des Nationalen Sicherheitsrates dürfte also auch sein, dieses Bild wieder geradezurücken.
Nicht auszuschließen ist, dass der Nationale Sicherheitsrat entscheidet, erstmal nicht zu entscheiden. Was eben auch bedeuten kann, dass es erstmal kein grünes Licht für die bereits geplanten Lockerungen geben könnte. Von neuen ganz zu schweigen.
Roger Pint