Die Verteilung der vom Staat versprochenen 15 Millionen Gratis-Masken für jeden Bürger zum Schutz vor dem Coronavirus hat endlich begonnen. Nach viel Ärger, Zweifeln und Verzögerungen. Aber damit hat sich's auch erstmal, was die guten Nachrichten betrifft.
Jetzt stehen nämlich einmal mehr Fragen im Raum, wie viel beziehungsweise wie lange diese Masken den Träger eigentlich schützen werden, die das Verteidigungsministerium unter anderem bei einer luxemburgischen Firma bestellt hatte. Der Hohe Gesundheitsrat hatte nämlich empfohlen, dass die Masken bei 60 Grad waschbar sein müssten, um zuverlässig Keime abzutöten. Die Masken, die jetzt verteilt werden, sollte man aber laut Hersteller nur bei 30 Grad waschen. Die Anforderungen hätten sich eben in der Zwischenzeit geändert, rechtfertigt sich das Verteidigungsministerium.
"Surrealistische Komödie"
Besonders der Präsident des Hohen Gesundheitsrates ist sauer. Seit Tagen bekäme man eine surrealistische Komödie zu sehen, kritisierte Jean Nève in der RTBF. Der Minister versuche etwas zu verteidigen, was zweifelsohne ein Fehler oder eine Missachtung bei der Produktion der Masken gewesen sei. 15 Experten hätten die Empfehlungen verfasst und die Hauptforderung sei glasklar und eindeutig formuliert worden: Um die Masken zu desinfizieren, müssten sie bei 60 Grad waschbar sein.
Das Verteidigungsministerium wiederum sagt, es habe sich dabei zum Zeitpunkt der Bestellung lediglich um eine Empfehlung gehandelt. Gesundheitsexperten wie der Virologe Marc Van Ranst hätten bestätigt, dass regelmäßiges Waschen per Hand und mit Waschmittel reiche, um die Masken zu desinfizieren.
Auch die luxemburgische Herstellerfirma Avrox verteidigte das. 30 Grad und ein gutes Waschmittel reichten, das müsse man so kommunizieren, um die Bürger zu beruhigen, sagte Laurent Hericord, der Delegierte des Verwaltungsrats der Firma. Und man könne die Masken ja auch bei 60 Grad waschen, aber dann garantiere Avrox eben nur, dass man sie 30 Mal wiederbenutzen könne. Ansonsten entsprächen die Masken allen Standards, sowohl den internationalen, als auch den europäischen und nationalen.
Präsident des Hohen Gesundheitsrates verärgert
Das besänftigte den Präsidenten des Hohen Gesundheitsrates nicht. Dass sich das Verteidigungsministerium auf die persönliche Meinung eines einzelnen Experten stütze, wenn 15 andere einhellig etwas anderes sagten, verärgere ihn, so Jean Nève. Und das Rumgehampel ob jetzt 30 Grad oder doch 60 Grad, das sei aus wissenschaftlicher Sicht inakzeptabel.
Ja, die Masken würden funktionieren und man könne sie benutzen, sagte der Gesundheitsexperte Dr. Yves Van Laethem in der RTBF. Aber er könne nicht verstehen, warum man sich völlig unnötigerweise der Möglichkeit beraubt habe, eben bei 60 Grad waschbare Masken zu kaufen. Das sei die Methode, die in den Krankenhäusern zur Entkeimung eingesetzt werde.
Nanosilber
Währenddessen kritisierten verschiedene Organisationen des belgischen Mode- und Textilsektors, dass Avrox Nanosilber in den Masken verwenden würde. Zum einen bestünde das Risiko, dass als Nebenwirkung superresistente Keime entstehen könnten. Kläranlagen könnten in Mitleidenschaft gezogen werden, weil das Nanosilber ja nicht zwischen "guten" und "schlechten" Mikroorganismen unterscheide. Und generell könnten die Silberkleinstpartikel in den Körper und in die Umwelt gelangen und dort Schäden anrichten.
Eine Vorhaltung, die der FÖD Volksgesundheit in einem Kommuniqué auf der Webseite des Verteidigungsministeriums deutlich zurückwies. Die Behandlung der Masken mit dem antibakteriellen Mittel entspreche europäischen Vorschriften über Biozide. Außerdem handele es sich um eine Technologie, die bereits in vielen kommerziell erhältlichen Masken verwendet würde und auch in anderen Textilien. Einen Warnhinweis, wie von den Textilverbänden gefordert, müsse man auch nicht beilegen, die Benutzer würden ja beim Aushändigen der Masken in den Apotheken fachkundig informiert.
Die Firma Avrox sieht sich derweil als Opfer einer unbegründeten Rufmordkampagne und behält sich rechtliche Schritte gegen den belgischen Modeverband Creamoda vor. Es sei nicht das erste Mal, dass der versuche, der Firma durch Gerüchte zu schaden, weil seine Mitglieder bei der staatlichen Ausschreibung für die Masken unterlegen seien, so Avrox.
Boris Schmidt
Gut, dass es keine Pflicht ist, die Maske abzuholen, da kann ich mich doch wenigstens über diese "Surrealistische Komödie" köstlich amüsieren.