Enorm viel Frust hat sich angestaut beim medizinischen Personal. Und das geht schon zurück auf die Zeit vor der Corona-Krise. Im vergangenen Jahr begannen die medizinischen Pflegekräfte mit einer Art Dauerprotest: Jede Woche eine Demo unter dem Titel "Die Dienstage der weißen Westen". Jede Woche also wiederholte man die gleichen Forderungen, grob zusammengefasst: bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal und mehr Mittel.
Dann kam das Coronavirus. Und die Krankenhäuser begannen vollzulaufen mit Covid-19-Patienten. Und plötzlich schien die Last der ganzen Welt auf den Schultern des Krankenhauspersonals zu lasten. Wie das häufig so ist: Krisen wirken gewissermaßen entlarvend und legen schonungslos die Probleme offen, die längst unter der Decke schwelten. In den Krankenhäusern ging es mitunter drunter und drüber: Zu wenig Personal, zu wenig Material. Der traurige Höhepunkt war erreicht, als plötzlich sogar Schutzmasken und -Kleidung fehlte - Basisausstattung.
Wenn das System nicht implodiert ist, dann sei das allein dem Personal zu verdanken, das sich regelrecht aufgeopfert und seine Forderungen und seinen Frust für die Zeit der Krise quasi in den Kühlschrank gelegt habe. Doch dann gab es den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: zwei ministerielle Erlasse, die gerade veröffentlicht wurden, sagte Yves Hellendorf von der christlichen Gewerkschaft CNE.
Der erste ministerielle Erlass erlaubt die Zwangsverpflichtung von medizinischem Personal. Und der zweite Text erlaubt es, Menschen im Pflegebereich einzusetzen, die den Beruf nicht gelernt haben. "Können Sie sich vorstellen, wie das rüberkommt?", fragt rhetorisch Yves Hellendorf. "Den Menschen, die noch nicht zur Ruhe kommen konnten, denen sagt man jetzt: Wenn ihr Feiglinge zuhause bleibt, dann kommen wir euch holen. Und übrigens ist eure vierjährige Ausbildung eigentlich gar nicht nötig; das kann jeder."
Genauso muss die Botschaft bei vielen tatsächlich angekommen sein. Das jedenfalls hat die Aktion vom vergangenen Samstag gezeigt. Das Pflegepersonal hat Bilder produziert, die um die Welt gegangen sind: Beim Besuch der Premierministerin Sophie Wilmès im Brüsseler Saint-Pierre-Krankenhaus säumte das Personal den Zugangsweg. Als ihr Auto vorbeifuhr, kehrten die Leute ihr den Rücken zu. Nennen wir es mal: ein Un-Ehrenspalier.
Sophie Wilmès selbst war zwar naturgemäß wenig erbaut, zeigte sich aber zugleich dialogbereit. Ihre Parteikollegin, Energieministerin Marie-Christine Marghem, verlor aber auf Facebook die Fassung: Das sei das Verhalten von "verwöhnten Puten", die nicht kriegen, was sie wollen, schrieb Marghem sinngemäß. Sie sprach zudem von einer "politischen Aktion". Die sarkastische Antwort der sozialistischen Gewerkschaft SetcA aus dem Mund von Nathalie Lionnet: "Vielen Dank, Marie-Christine", zischt die Gewerkschafterin.
Da half es auch nicht mehr, dass MR-Chef Georges-Louis Bouchez noch versuchte, die Aussage seiner Ministerin geradezurücken. Es war zu viel. "Unsere Basis hat uns zu verstehen gegeben, dass sie nach alledem nicht mehr stillhalten kann", sagt Nathalie Lionnet. Und deswegen habe man die Streikankündigung hinterlegt: damit mögliche Protestaktionen abgedeckt sind.
Bei der CNE ist das nach Worten von Yves Hellendorf genauso abgelaufen: Man wollte eigentlich noch warten, aber die Basis war zu aufgebracht.
In einer ersten Phase fordern beide Gewerkschaften, dass die beiden ministeriellen Erlasse zurückgezogen werden. "Darüber hinaus wird es aber jetzt definitiv auch um die Arbeitsbedingungen gehen müssen", sind sich CNE und SetcA einig.
Premierministerin Sophie Wilmès zeigt sich indes mehr denn je dialogbereit. Und das mit doch klaren Worten: Sie wolle einen wirklichen Dialog. Die Frage müsse lauten: Wie können wir tatsächlich helfen? Denn das sei die wirkliche Aufgabe einer jeden Regierung
Die Streikankündigung der Gewerkschaften wurde von Beobachtern als regelrechte Kriegserklärung interpretiert. Fakt ist wohl: Das Krankenhauspersonal dürfte sich nicht mehr mit simplen Versprechen zufrieden geben.
Roger Pint
Zwangsverpflichtungen sind ein Eingriff in Bürgerrechte. Inakzeptabel in der jetzigen Situation. Diese Maßnahme und das Einstellen von Ungelernten kann man nur als Bankrotterklärung des belgischen Staates bewerten. Sowas kennt man sonst nur aus drittklassigen Diktaturen der Dritten Welt wie etwa Eritrea.
Ich fragte mich immer mehr, wer auf solche Ideen kommt. Wie die Willensbildung in der Föderalregierung funktioniert. Haben die Berater mit Erfahrungen in Diktaturen ?
Der belgische Staat sollte mal richtig ausgemistet werden. Alles überflüssige auf den Misthaufen der Geschichte fahren wie etwa einige Gesundheitsminister, Senat, Provinzen,...
Es ist Zeit dazu ,denke ich .
Hoechste Zeit!
Damit kann man mal die Wirschaft ankurbeln oder nicht?
Da fehlt soviel Schutzkleidung...usw..usf.
GH..🙏