Viele ahnten Schlimmes. Spätestens, als die Direktion von Brussels Airlines kurzfristig eine außerordentliche Sitzung des Betriebsrates einberufen hatte, wurde die Nervosität spürbar. Denn jeder weiß, dass das nicht sehr oft der Anlass ist, um gute Neuigkeiten zu verkünden. Und gerade bei Brussels Airlines lag eine drastische Ankündigung quasi in der Luft.
Die kam dann auch aus dem Mund des Geschäftsführers Dieter Vranckx, der aber das Glas eher halb voll als halb leer sah: "Wir wollen 75 Prozent der Jobs bei Brussels Airlines retten. Und wir werden alles tun, um die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen möglichst gering zu halten, im Zusammenspiel mit den Gewerkschaften."
Drei Viertel der Jobs will man retten, das heißt: Ein Viertel wird gestrichen. Bei einer Gesamtbelegschaft von rund 4.200 Mitarbeitern sind das also rund 1.000 Jobs, die auf der Kippe stehen. Insgesamt soll Brussels Airlines schlanker werden. Auch die Flotte soll um 30 Prozent verkleinert werden, das wären bis zu 16 Maschinen, auf die man künftig verzichten würde. Auch über 20 Verbindungen wurden bis auf Weiteres gestrichen.
Corona hat Probleme verschärft
Der unmittelbare Grund für diese Rosskur ist die Corona-Krise. Die Luftfahrtbranche wurde besonders schwer getroffen, insofern auch, als sich die Lage im Vergleich zu vielen anderen Bereichen noch viel langsamer wieder normalisieren dürfte. Man geht im Moment davon aus, dass die Fluggesellschaften erst gegen 2022-2023 wieder schwarze Zahlen schreiben werden.
"Und angesichts solcher Aussichten war Brussels Airlines einfach für seine Verhältnisse viel zu groß", sagt Geschäftsführer Dieter Vranckx. "Schon vor der Krise hatten wir Rentabilitätsprobleme, jetzt durch Corona sind die Probleme nur noch größer geworden."
Vranckx deutet es an: Die Ankündigung an sich ist keine Überraschung. Jeder wusste, dass Brussels Airlines bis zum Hals in Problemen steckte. Vor einigen Monaten war ja erst ein erster Umstrukturierungsplan ausgearbeitet worden, der dafür sorgen sollte, dass die Gesellschaft in die schwarzen Zahlen fliegt. Auch da standen schon Jobstreichungen im Raum. Und Krisen sorgen in der Regel dafür, dass sich die Dinge überschlagen, dass bestehende Probleme mit einem Mal noch akuter werden. Kurz und knapp: Brussels Airlines geht das Geld aus.
Nuancierte Reaktionen
Das wussten natürlich auch das Personal und die Gewerkschaften. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass die Reaktion der Belegschaft erstaunlich nuanciert ausfällt. Auf der einen Seite ist man natürlich geschockt. "Wir wussten, dass Stellenstreichungen wohl unvermeidlich sein würden. Die Zahl 1.000 ist aber doch erschreckend hoch", sagte Filip Lemberechts von der liberalen Gerwerkschaft CGSLB.
Auf der anderen Seite habe die Direktion aber eine ganze Reihe von Möglichkeiten in den Raum gestellt, die es erlauben können, die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen doch deutlich in Grenzen zu halten. Die Sozialverhandlungen sollen sehr schnell beginnen. Ziel sei es, so schnell wie möglich zu einer Einigung zu kommen, um dafür zu sorgen, dass Brussels Airlines über Wasser bleibt.
Kein Blankoscheck
Doch sei der Umstrukturierungsplan da nur einer von drei Pfeilern, die nötig sind, sind sich Direktion und Gewerkschaften einig. Darüber hinaus brauche man auch den Rückhalt des Mutterkonzerns, also der deutschen Lufthansa. Das sei gegeben, beteuert Geschäftsführer Dieter Vranckx. Lufthansa werde auch in Zukunft auf den Standort Brüssel und damit auch auf den Platzhirsch Brussels Airlines setzen.
Und drittens müsste auch noch der belgische Staat seinen Beitrag leisten. Brussels Airlines hat ja eine Beihilfe in Höhe von knapp 300 Millionen Euro beantragt. Nur liegt hier das Problem, genau gesagt: beim Zusammenspiel zwischen besagtem zweiten und dritten Standbein. Denn die Föderalregierung muss sich mit Lufthansa auf die Staatsbeihilfe einigen.
Der Punkt ist: Die Regierung will hier keinen Blankoscheck ausstellen. Sie will die Zahlung der Beihilfe an Bedingungen knüpfen. Konkret verlangt die Regierung Garantien von der Lufthansa. Grob zusammengefasst: Man will vermeiden, dass man Geld in Brussels Airlines steckt, ohne zu wissen, ob und vor allem inwieweit Lufthansa wirklich auch in Zukunft noch auf die Gesellschaft setzen will.
Da scheint allerdings ordentlich Sand im Getriebe zu sein. Wie man liest und hört, scheinen die Verhandlungen von einem erheblichen Maß an gegenseitigem Misstrauen geprägt zu sein. Und die jetzige Entscheidung, 1.000 Stellen zu streichen, hat bei der Föderalregierung für zusätzliche Verärgerung gesorgt. Vom Gelingen dieser Verhandlungen wird aber letztlich das Schicksal von Brussels Airlines abhängen.
Roger Pint