Wenn man bedenkt, dass die belgische Föderalregierung, die mit Sondervollmachten ausgestattet ist, vor allem von liberalen Ministern geleitet wird - zehn der 13 Minister der Föderalregierung kommen von der MR oder der Open VLD - erwartet man nicht, dass ausgerechnet eine Parteikollegin das Krisenmanagement der Regierung so hart und scharf kritisiert.
"Frau Wilmès, worauf warten wir überhaupt? Finden Sie es normal, dass die Leute Schlange stehen, um ein Eis zu kaufen, wenn sie nicht arbeiten dürfen?" Das fragte sie schon vor zwei Wochen in einem Video auf Twitter. Dieser Zwischenruf ist kontrovers diskutiert worden, als sie dazu aufgerufen hatte, die strengen Ausgangsbeschränkungen zu beenden. Man müsse den "Lockdown-Urlaub" endlich stoppen, forderte sie. Der Begriff "Lockdown-Urlaub" wurde da schon als Provokation gesehen.
"Lockdown-Diktatur"
Doch diese Woche hat Els Ampe noch einen drauf gelegt. Sie fordert die Regierung Wilmès auf, die "Lockdown-Diktatur" zu beenden. "Frau Premierministerin. Die Belgier haben genug. Geschäfte gehen pleite und auch Cafés müssen dran glauben. Beenden Sie diese Lockdown-Diktatur."
Els Ampe wird schon länger kritisiert. Es heißt, sie nehme diese Extremstandpunkte nur ein, weil sie im Kampf um den Parteivorsitz Aufmerksamkeit sucht.
Parteikollegin Maggie De Block reagierte am Montag im VRT-Fernsehen dann auch sehr scharf auf Els Ampe. "Was Els Ampe da fordert, ist tödlich", sagt Maggie De Block. Sie unterstütze das nicht. Und als der Reporter nachfragt, ob sie ihr das auch persönlich schon gesagt habe, antwortet sie: "Das hat keinen Sinn".
Els Ampe begründet ihre Forderung damit, dass der bekannte und vielzitierte Virologe Marc Van Ranst selber in einem Fernsehinterview gesagt haben soll, dass ab dem 15. Mai kein Belgier mehr an Corona sterben würde. Es mache also gar keinen Sinn, im Juni "junge und gesunde Menschen zu Hause zu lassen".
Els Ampe bezieht sich also auf ein Interview, dass der Virologe den VTM-Nachrichten gegeben hatte. In diesem Interview wurde Van Ranst zu der Prognose einer renommierten amerikanischen Universität in Seattle befragt. Die hatte nämlich vorausgesagt, dass die Zahl der durch das neue Coronavirus verursachten Todesfälle in Belgien am 19. Mai auf Null sinken wird. Van Ranst bestätigte im Fernsehen, dass er selber schon länger vorausgesagt hatte, dass diese tödliche Phase der Epidemie bis Mitte Mai andauern würde.
Was Ampe aber nicht zitiert, sind die Vorbehalte, die Van Ranst im gleichen Interview äußerte. Denn dass die Todesfälle bis zum 19. Mai auf Null gehen werden, bezweifelte Van Ranst dann doch. Das Virus werde erst mal eine Weile in Belgien bleiben, so Van Ranst.
Kritik und Applaus
Die Vergleiche von Els Ampe und Donald Trump sind damit nicht ganz von der Hand zu weisen. Da gibt es sogar Leute, die schon den Rausschmiss von Els Ampe aus der Partei fordern.
Aus Wirtschaftskreisen gibt es wiederum Applaus, da sich Ampe vor allem für die Wirtschaft einsetzt, weil sie immer wieder dran erinnert, dass die strengen Einschränkungsmaßnahmen für die Wirtschaft verheerende Folgen haben. Für sie sind die Maßnahmen übertrieben.
Els Ampe ist sehr aktiv auf Twitter und auf Facebook. Sie hat da sogar eine Art eigene Talksendung gestartet. Also langweilig wird es den flämischen Liberalen nicht.
mz