In Frankreich soll am 11. Mai schrittweise die Lockerung der Ausgangssperre beginnen. Dort, so hörte man aus Regierungskreisen rund um Präsident Macron, sollte das noch weit in der Ferne liegende Datum der Bevölkerung auch zu verstehen geben, dass man noch lange nicht am Ende der Pandemie gelangt ist.
Etwas, das auch die belgischen Epidemiologen und Virologen nicht aufhören zu betonen. Denn das Osterwochenende hat gezeigt, die Regeln werden nicht mehr so gut befolgt, wie zu Beginn. Doch für manche sollte man da nicht nur den Bürgern den schwarzen Peter zuschieben, sondern auch ein Auge auf die Unternehmen werfen. Und auch das Zahlen der Rechnung sollte man nicht nur den Arbeitnehmern überlassen.
Das sagte Raoul Hedebouw, der Chef der linken PTB, der frankophonen Partei der Arbeit, am Mittwochmorgen in der RTBF. "Ja, alle müssen die Regeln beachten, aber nicht nur die Bürger, sondern auch die Betriebe." Bei der letzten Kontrolle hätten von 328 kontrollierten Betrieben 85 Prozent die Regeln des Social Distancing nicht beachtet.
"Die Politik ist scheinheilig. In der öffentlichen Debatte wird immer nur über die Bürger gesprochen, die sich nicht an die Regeln halten, aber nicht genügend über die Missachtung der Regeln am Arbeitsplatz", so PTB-Chef Hedebouw. "Die wirtschaftlichen Interessen zählen da mehr als die Gesundheit."
Das zeige sich auch in der Liste der lebensnotwendigen Berufe. Zwei von drei Millionen Arbeitnehmern gelten demnach als essentiell. Raoul Hedebouw kann das nicht nachvollziehen. Diese Liste sollte stark reduziert werden. Dann könne man auch mehr Betriebe kontrollieren, und bestrafen, wenn sie die Abstandsregeln nicht einhalten.
Er könne auch nicht verstehen, dass bei Audi in Forest die Produktion wieder anlaufe: "Autos bauen ist in einer solchen Gesundheitskrise bestimmt nicht lebensnotwendig."
Und während die Regeln des Social Distancing in solchen Betrieben bestimmt nicht eingehalten werden könnten, hätten die Arbeitnehmer in den Geschäften, in den Altenheimen immer noch keine Atemschutzmasken.
"Was soll das? Die Zeit drängt!", so Hedebouw. Für den Chef der linken Arbeiterpartei ist es auch an der Zeit, eine Debatte darüber anzustoßen, wer die Rechnung für die Krise zahlen soll. Und das sollen nicht die Arbeitnehmer sein: "Müllmänner, Supermarktmitarbeiterinnen, das sind die Helden der Krise. Und sie sollen mit ihrer Kaufkraft für die Krise aufkommen?" fragt Hedebouw.
Seine Partei hat auch einen konkreten Vorschlag. Das zeitweilige Arbeitslosengeld sollte nicht 70 sondern 100 Prozent des letzten Einkommens betragen.
Hedebouw schlägt weitere Maßnahmen vor: "Die Liste der Selbständigen, die Anrecht auf eine Prämie von 5.000 Euro haben, muss erweitert werden. Alle die Umsatzverluste haben, müssen die Prämie bekommen."
Und auch in der Wallonie müsse es für alle zeitweilig und technisch Arbeitslosen eine Prämie von 200 Euro geben, damit sie ihre Strom, Gas und Wasser-Rechnungen bezahlen können. Finanzieren sollen das alles die hohen Einkommen. "Und zwar mit einer Corona-Steuer von fünf Prozent auf alle Vermögen von über drei Millionen Euro", fordert Hedebouw.
2008 habe man die Banken mit Milliarden gerettet. Und zwar mit dem Steuergeld der Arbeitnehmer. Die Corona-Krise bezahle der Arbeitnehmer schon mit seiner Gesundheit. Dann müsse er nicht auch noch finanziell zur Kasse gebeten werden.
vk/est