Im Nationalen Sicherheitsrat beraten die wichtigsten Vertreter der Föderalregierung zusammen mit Experten die Lage in der Coronavirus-Epidemie. Auch die Ministerpräsidenten der Teilstaaten haben an der Sitzung teilgenommen. Für die Deutschsprachige Gemeinschaft saß Ministerpräsident Oliver Paasch mit am Tisch.
Mit dem Ausrufen des nationalen Notfallplans entscheidet die Föderalregierung über alle Schritte im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Sie gelten dann im ganzen Land.
Premierministerin Sophie Wilmès gedachte zu Beginn der Pressekonferenz der Opfer des Coronavirus und bedankte sich bei den Mitarbeitern in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für deren Arbeit im Kampf gegen das Coronavirus.
Bei den zu ergreifenden Maßnahmen gelte es, Effektivität und Effizienz in Einklang zu bringen. Ziel sei es weiterhin, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, erklärte Wilmès.
Zu den neuen Maßnahmen gehört:
- Alle Freizeitveranstaltungen (sei es aus den Bereichen Sport, Kultur, Folklore, etc.) müssen unabhängig von ihrer Größe abgesagt werden.
- Diskotheken, Cafés und Restaurants müssen schließen.
- Arbeitgeber sollen Arbeiten per Homeoffice verstärkt ermöglichen.
- Geschäfte, die lebensnotwendige Güter verkaufen (Lebensmittelläden oder Apotheken), sollen ihre gewohnten Öffnungszeiten beibehalten.
- Andere Geschäfte dürfen ihre Öffnungszeiten in der Woche beibehalten, müssen am Wochenende aber schließen.
- Der Unterricht in den Schulen wird ausgesetzt. Es soll aber für bestimmte Eltern eine Betreuung der Kinder organisiert werden. Das gelte vor allem für Berufstätige im medizinischen Sektor oder bei den Sicherheitsbehörden. Es sei wichtig, dass gerade der Gesundheitssektor weiterarbeiten könne und die Pflegekräfte nicht wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen, erklärte Wilmès. Außerdem soll den Eltern eine Betreuung angeboten werden, die ihre Kinder sonst nur bei den Großeltern unterbringen könnten. Da gerade ältere Menschen zur Risikogruppe zählen, sollen sie nicht mit der Kinderbetreuung beauftragt werden.
- Kinderkrippen bleiben ohne Einschränkungen offen.
Diese Maßnahmen treten in der Nacht von Freitag, den 13. März, auf Samstag, den 14. März, in Kraft und gelten vorerst bis zum 3. April 2020.
Der Nationale Sicherheitsrat ruft alleinlebende Senioren auf, zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte zu meiden.
Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren weiter. Dennoch sollen sich die Bürger nicht unnötig draußen bewegen.
Premierministerin Wilmès ruft alle Bürger auf, dazu beizutragen, dass sich das Coronavirus nicht weiter ausbreitet. Wer krank ist, soll zu Hause bleiben. Darüber hinaus gelten die bekannten Hygieneregeln.
Die Polizei soll über die Einhaltung dieser Regeln wachen. Welche konkreten Strafen beim Nichtbeachten der neuen Maßnahmen drohen, ist bei der Pressekonferenz nicht deutlich geworden.
Der Regierung sei bewusst, dass die Maßnahmen wirtschaftliche Kollateralschäden nach sich ziehen werden, sagte Wilmès. Dennoch konnte die Regierung noch keine konkreten Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft vorlegen. "Erst geht es um die Gesundheit der Menschen", so Wilmès. Dennoch wolle die Regierung "innerhalb kurzer Zeit" Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft präsentieren.
Ministerpräsident Oliver Paasch sagte im BRF-Interview im Anschluss an die Sitzung, dass die Maßnahmen zwar drastisch seien, aber auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierten: "Die Wissenschaftler haben deutlich gemacht, dass wir ohne diese Maßnahmen innerhalb von neun bis zehn Tagen italienische Verhältnisse in Belgien haben würden. Und dann müssten die Maßnahmen noch drastischer ausfallen."
Empfehlungen aus der Wissenschaft
Der Epidemologe Pierre Van Damme hatte zuvor in der VRT erklärt, jetzt sei der ideale Moment, um sehr wirksame Maßnahmen zu treffen. Dazu zählte, alle Publikumsveranstaltungen abzusagen und verstärkt auf Homeworking zu setzen. Außerdem schlug er vor, verstärkt auf Gleitzeit zu setzen. Wenn Arbeitnehmer nicht gleichzeitig zur Arbeit erschienen, kämen im ÖPNV weniger Menschen in Kontakt miteinander.
Der Virologe Marc Van Ranst rechnet damit, dass der Höhepunkt der Ausbreitung des Virus noch vor uns liegt. In der VRT sagte er, er glaube, dass die Infektionswelle Mitte Mai vorbei sei.
Unterdessen hat der belgische Kinobetreiber Kinepolis entschieden, die Filmvorführungen bis mindestens zum 31. März auszusetzen.
Coronavirus im Ausland
Im Kreis Heinsberg ist eine weitere, 78 Jahre alte Patientin gestorben. Die Frau starb am Donnerstagnachmittag an den Folgen einer Lungenentzündung im Heinsberger Krankenhaus, wie der Kreis erklärte. Wo sich die Frau mit dem Virus angesteckt hatte, sei noch nicht bekannt, hieß es. Es handelt sich um den dritten bekannten Todesfall im Kreis Heinsberg und den vierten in Nordrhein-Westfalen.
Zur Eindämmung der Corona-Epidemie werden in NRW immer mehr Bereiche des kulturellen und öffentlichen Lebens lahm gelegt. Zahlreiche Theater und Konzerthäuser im Land sagten am Donnerstag Veranstaltungen ab - darunter auch solche, die keine Teilnehmerzahlen von mehr als 1.000 Menschen erreicht hätten.
In Deutschland hat Bundeskanzlerin Merkel am Donnerstagabend dazu aufgerufen, soziale Kontakte zu meiden und auch "nicht nötige" Veranstaltungen unter 1.000 Teilnehmern abzusagen. Auf bundesweite Schulschließungen verzichtet Deutschland vorerst.
Frankreich schließt ab Montag bis auf Weiteres alle Schulen, Kinderkrippen und Universitäten. Das hat Staatspräsident Macron am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache bekanntgegeben. Er nannte die Coronavirus-Epidemie "die schlimmste Gesundheitskrise in Frankreich seit einem Jahrhundert."
Obwohl es in der Türkei erst einen einzigen bestätigten Fall des Coronavirus gibt, will das Land ebenso Schulen und Universitäten schließen. Sportveranstaltungen sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Das kündigte Staatspräsident Erdogan an.
Nach Südtirol in Italien bricht auch Tirol in Österreich die Skisaison ab. Das Bundesland schließt wegen der Corona-Epidemie vorzeitig alle Seilbahnen und beendet die Wintersaison vorzeitig. Das teilte die Tiroler Landesregierung in Innsbruck mit. Gleichzeitig hat Österreich alle Bürger dazu aufgerufen, aus dem Ausland zurückzukehren. "Aufgrund der zur Zeit zunehmenden Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr empfiehlt das Außenministerium, von allen nicht notwendigen Reisen abzusehen", heißt es in einer Mitteilung auf der Homepage des Außenministeriums.
In Norwegen haben sich König Harald und Königin Sonja für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Sie waren von einer Reise aus Jordanien zurückgekehrt. Laut Regierungsbeschluss soll jeder, der von einer Auslandsreise zurückkehrt, zunächst zu Hause bleiben - so auch das Königspaar.
Beim italienischen Fußball-Rekordmeister Juventus Turin befinden sich 121 Personen in häuslicher Quarantäne, weil Abwehrspieler Daniele Rugani positiv auf das neue Coronavirus getestet wurde. Von der Quarantäne betroffen sind nach Vereinsangaben unter anderem Spieler, Mitglieder des Betreuerteams, Direktoren und weitere Angestellte.
In New York hat der Aktienindex Dow Jones seinen größten Tagesverlust seit dem "Schwarzen Montag" vom 19. Oktober 1987 verzeichnet. Er schloss 10 Prozent tiefer als am Mittwoch bei 21.200,62 Punkten.
dpa/belga/vrt/okr