Der Druck auf Charles Michel war in den letzten Tagen spürbar größer geworden. Im Parlament hatten einige Fraktionen die wiederholten Abwesenheiten des amtierenden Premiers zuletzt scharf kritisiert.
Zudem könne er nur feststellen, dass es nach wie vor keinerlei Verhandlungen gebe mit Blick auf die Bildung einer neuen Föderalregierung. Im August hatte sich Michel noch optimistisch gezeigt, dass eine neue Equipe womöglich schon im November hätte an den Start gehen können. Dann hätte er quasi noch die Übergabe regeln können. Von einem solchen Szenario sind wir aber im Moment noch weit entfernt.
Im Grunde hält ihn also nichts mehr auf seinem Stuhl. Deswegen will Michel jetzt den Posten auch möglichst schnell abgeben. Idealerweise schon in den nächsten Tagen.
Doch wer soll ihm nachfolgen? Angesichts diverser insbesondere haushaltspolitischer Dringlichkeiten ist der Job des Premiers kein Geschenk, da sind sich Beobachter einig. Im Gespräch ist vor allem die MR-Parteifreundin und amtierende Haushaltsministerin Sophie Wilmès. Ein möglicher Nachfolger könnte aber auch in den Reihen der flämischen Schwesterpartei OpenVLD gefunden werden. Hier liest und hört man öfter mal die Namen von Vizepremier Alexander De Croo oder Parteichefin Gwendolyn Rutten. Genannt wird auch noch der CD&V-Justizminister Koen Geens.
Roger Pint
Was man zur Zeit auf Foederalebene sieht, kann man nur als Skandal bezeichnen. Eine Regierung, deren Mitglieder zu Hundert Prozent bezahlt werden, aber noch nicht mal zu 50 Prozent ihren Verpflichtungen nachkommen. "Geschaeftsfuehrende Regierung" als Ausrede fuers Nichtstun. Aber zum Glueck sind die Zinsen niedrig und in Belgien gibt es genug Kapital. Da laesst sich auch eine Phase des Nichtstuns ueberbruecken. Alles in allem sind das Verfallserscheinungen der Foederalebene. Und wenn dann wirklich eine Regierung steht, sieht man das gleiche wie seit Jahrzehnten. Sogenannte Sparmassnahmen zu Lasten der Bevoelkerung und vielleicht noch eine Staatsreform zum Vorteil der politischen Postenjaeger. Nur Grundlegendes wird nicht geaendert. Es braeuchte eine anschliessende Staatsreform mit einer klaren und logischen Kompetenzverteilung zwischen Regionen und Zentralstaat.
Das Verhalten des Premiers ist skandaloes. In schwierigen Zeiten Fahnenflucht zu begehen aus Karieregeilheit.