Angebahnt hatte sich das nicht. Zumindest wurde die Abschaffung der Wahlpflicht auf lokaler Ebene in Flandern nicht schon lange vor dem angeblichen Beschluss der neuen Koalitionspartner öffentlich diskutiert. Doch am Montag bestätigen gleich mehrere Zeitungen in ihren Berichten, dass diese Maßnahme tatsächlich wohl Teil des neuen Regierungsabkommens ist. Sogar die CD&V hätte dem zugestimmt. Wahrscheinlich im Tausch dafür, dass die Provinzen doch nicht abgeschafft und Gemeindefusionen nicht weiter forciert werden. Anliegen, mit denen die N-VA und die OpenVLD Wahlkampf geführt hatten, um die Verwaltung der Region einfacher zu machen. Ein Kompromiss also, bei dem alle drei Parteien irgendwelche Zugeständnisse machen.
CD&V-Urgestein Etienne Schouppe verteidigte den Beschluss am Sonntag auch im Fernsehen der VRT. "Wir müssen der Realität von heute ins Auge sehen. Und da sieht man, dass Verstöße gegen die Wahlpflicht nicht mehr bestraft werden; dass die Menschen sowieso nicht mehr kommen und dabei auch kein Risiko eingehen." Wenn man also ungestraft gegen ein Gesetz verstoßen könne, dann sei es nur normal, dass man sich nach Alternativen umschaue, fügte Schouppe hinzu.
Nicht alle bei der CD&V denken jedoch wie die Schouppe. Der CD&V-Kammerabgeordnete Hendrik Bogaert zum Beispiel will an der allgemeinen Wahlpflicht auch bei Gemeinderatswahlen festhalten. "Ich finde es gut, dass jeder Bürger alle sechs Jahre in ein Wahllokal einbestellt und dadurch auch an seine eigene Verantwortung erinnert wird, die er bei der Verwaltung seiner Gemeinde hat", sagte er am Sonntag. "Und umgekehrt finde ich es auch gut, dass die Regierenden alle sechs Jahre ohne Unterschied von allen Bürgern gewählt werden."
Bogaert fürchtet, dass die Gesellschaft durch die Abschaffung der Wahlpflicht gespalten wird. Nämlich in einen Teil der Bürger, der sich für Politik interessiert und auch ohne Pflicht zu Wahlen geht, und in einen anderen Teil der Bürger, der sich in seinem Alltag nicht für Politik interessiert. Dieser Teil werde ohne Pflicht dann auch nicht zu Wahlen gehen.
Doch gerade aus diesem Teil der Bevölkerung kommen laut Analysen besonders viele Stimmen für extreme Parteien. So hat zum Beispiel die Zeitung De Standaard festgestellt, dass bei einem Ende der Wahlpflicht vor allem der rechtsextreme Vlaams Belang, die linksextreme PVDA und auch die Sozialisten der SP.A Stimmen verlieren würden.
Der CD&V-Politiker Bogaert sieht in der neuen Maßnahme deshalb auch eine gezielte Reaktion der künftigen Regierungsparteien, um sich selbst wieder mehr Prozentpunkte bei den Wahlen zu sichern. Alle drei Parteien, N-VA, CD&V und OpenVLD, hatten bei den vergangenen Wahlen ja Stimmen verloren. Bogaert kritisiert: "Wenn einem die Anzeige auf einem Thermometer nicht passt, dann ist es meiner Meinung nach nicht richtig, das Thermometer einfach wegzuschmeißen. Das finde ich undemokratisch. Die allgemeine Wahlpflicht abzuschaffen, das ist eine typische Idee einer elitären liberalen Demokratie."
Bogaert ist mit seiner Kritik nicht der einzige innerhalb der CD&V. Auch der Vorsitzende der CD&V-Nachwuchsorganisation, Sammy Mahdi, äußerte sich am Sonntag skeptisch gegenüber einer Abschaffung der Wahlpflicht.
Die Pille droht, im Hals der Partei stecken zu bleiben. Wahrlich kein guter Start in die neue Koalition. Obwohl die Partner dieses Mal doch alles besser machen wollten als in den vergangenen fünf Jahren, in denen N-VA, OpenVLD und CD&V nach Meinung vieler allzu häufig aufgrund von Streitigkeiten untereinander fast vergessen hatten, zu regieren.
Kay Wagner
Anstatt diesen sinnlosen Streit zu fuehren, sollte das Volk die Moeglichkeit bekommen mittels verbindlicher Volksabstimmung und -befragungen am politischen Leben teilzunehmen. Was in der Schweiz geht, kann auch hier gehen. Und warum nicht den Waehler bezahlen, wenn er oder sie sich die Muehe macht, ins Wahllokal zu kommen. Wenn man Abgeordnete fuers Abstimmen bezahlt, kann man den Buerger auch bezahlen.
Als ich nach Ostbelgien überwechselte brauchte ich gerade auch einen neuen Personalausweis. Dies war zur Zeit der vorletzten Gemeindewahlen. Meine Einladung kam noch aus Mechelen, aber am Tag der Wahl hatte ich den neuen Personalausweis noch nicht. Pflichtbewußt wie ich war, fuhr ich an diesem Sonntag 150 km (und wieder zurück), stellte mich, wie in Mechelen üblich 1 komplette Stunde an und erklärte dem Wahlleiter meine Situation. Zum Stichtag, dem 31.07. War mein Pass übrigens noch gültig. Seine Antwort: “Sie haben Glück, Sie brauchen nicht zu wählen !” DAS, Herr Scholzen ist typisch für zumindest Flandern, solche Leute wollen Sie 2 x pro Jahr zur Wahlurne schicken ?
Wenn jemandem so wenig am unter Blutvergießen errungenen Privileg Freier Wahlen liegt (Nordkorea, China, Saudi-Arabien, etc. lassen grüßen), dass finanzielle "Anreize" nötig sein sollen, um ein grundlegendes Recht wahrzunehmen, von dem ein Großteil der Weltbevölkerung nur träumen kann, warum will man dann überhaupt noch "am poltischen Leben" teilnehmen?
Alle paar Jahre nicht wählen gehen wollen, aber wohl mehrmals im Jahr (in der Schweiz 2 bis 4 mal pro Jahr!) für Befragungen in ein Wahllokal gehen - wie passt das denn zusammen? Schizophrenie zwischen Politikverdrossenheit und Geltungsbedürfnis?
Einfach selbst zur Wahl stellen, wenn man's doch anscheinend soviel besser als die aktuellen Politiker machen könnte! Passt natürlich nicht in das "alle korrupt"-Schema... dann müsste man ja auch konkret mit anpacken und sich die Hände schmutzig machen, anstatt nur im Internet zu kommentieren...
Werter Herr Hezel.Man kann auch Volksbefragungen und -abstimmungen per Briefwahl organisieren. Da muss man nicht ins Wahllokal. Es gibt im Inn und Ausland genügend funktionierende Beispiele. Und was ist schlecht an finanziellen Anreizen ? Mit Zuschüssen und anderen finanziellen Anreizen werden doch sonst auch die verschiedensten Sachen gefördert, um gewisse Ziele zu erreichen. Und mich selbst zur Wahl stellen ? Habe das probiert bei SP und CSP. Wie ich schon oft gesagt habe, hat man als Handwerker und Arbeiter schlechte Karten bei den politischen Parteien. Da ist die Gleichheit aller noch blanke Theorie. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man Akademiker in allen Parteien bevorzugt. Und Politik hauptberuflich machen, muss man sich auch leisten können. Da braucht es Geld und Beziehungen. Und wenn man die nicht hat, geht es nicht.
Briefwahl ? Das bekommen die Belgier ja noch nicht mal hin trotz WahlPFLICHT
Herr Scholzen, vielleicht wurden Sie wegen Ihrer Einstellungen nicht gewählt. Wenn ich mir die Listen so ansehe hier in Ostbelgien, sind da jede Menge Handwerker bei und wenn Sie mal SP mal CSP versuchen, ist das wohl eher Opportunismus statt Überzeugung
Herr Scholzen, warum machen Sie bei den nächsten Wahlen nicht eine eigene Liste. Daran würde bestimmt keiner Sie dran hindern. Einen zweiten Kandidaten Scholzen gibt es ja schon! Sie hätten bestimmt sehr viel Erfolg und viele würden Ihnen die Türe einlaufen um einen Platz auf der SCHOLZEN-LISTE zu ergattern.