"Wir sind auf den Brexit vorbereitet", sagte der geschäftsführende Premierminister Charles Michel im Anschluss an den Ministerrat. "Wir sind vorbereitet, soweit das möglich und planbar ist", präzisiert der Noch-Regierungschef. Denn: Niemand weiß, was uns nach dem 31. Oktober erwartet. Man könne nicht jede einzelne Eventualität im Vorhinein durchspielen. Man könne sich aber so aufstellen, dass man möglichst flexibel auf alle möglichen Situationen reagieren kann.
Beispiel: Die Regierung hat eine Reihe von Königlichen Erlassen vorbereitet; das sind Ausführungsbestimmungen. Die liegen also schonmal griffbereit in der Schublade und können - je nach Lage - in Kraft gesetzt werden.
Durchaus vorhersehbar ist aber, dass der Ärmelkanal schon bald wieder eine EU-Außengrenze wird. Nach dem Brexit wird Großbritannien zu einem Drittstaat - mehr oder weniger, je nach dem, ob es ein Abkommen geben wird oder nicht. Und wer "Drittstaat" sagt, der sagt: Kontrollen.
Neue Zollbeamte
Grenzkontrollen, das ist in erster Linie Sache des Zolls. Die föderale Zoll- und Akzisenverwaltung ist schon seit längerer Zeit mit den Vorbereitungen befasst. Unter anderem sollen 386 neue Zollbeamte angeworben werden. 305 davon sind schon einsatzbereit, 13 sind noch "in der Pipeline". Da fehlen dann aber immer noch knapp 70 Leute. "Wissen Sie", sagte der amtierende Finanzminister Alexander De Croo, "gerade in der Provinz Westflandern mit ihrer niedrigen Arbeitslosigkeit ist es nicht einfach, ausreichend Kandidaten zu finden. Zumal ja auch andere Arbeitgeber derzeit auf der Suche nach ähnlichen Profilen sind, wie z.B. Transportunternehmen".
Klar: Ganze Branchen sind, zumal in Flandern, längst dabei, sich auf den Brexit einzustellen. Auf Anordnung der Regierung sind die zuständigen Ministerien auch aktiv auf diese Unternehmen zugegangen, mit dem Ziel, die Betriebe zu sensibilisieren, indem man etwa auf die drohenden Probleme hinweist.
Neue Veterinär- und Nahrungsmittelinspektoren
Ein No Deal wäre da natürlich das schlimmste aller Szenarien. No Deal, das würde bedeuten, dass eben nichts geregelt ist. Nichts heißt nichts. Großbritannien würde zu einem Drittstaat in Reinform: Jeglicher Personen- oder Warenverkehr würde in beiden Richtungen strikten Kontrollen unterliegen. Vor diesem Hintergrund hat etwa auch die Afsca 115 neue Mitarbeiter eingestellt, allen voran Veterinär- und Nahrungsmittelinspektoren. Alles in allem ein bürokratischer Albtraum.
Die Regierung will das Problem denn auch im wahrsten Sinne des Wortes an der Wurzel packen. Mit 50 Unternehmen, die besonders viel nach Großbritannien exportieren, hat man eine Vereinbarung getroffen. Demnach kann der Zoll schon auf ihrem jeweiligen Firmengelände aktiv werden, um dort die notwendigen Formalitäten abzuwickeln. So vermeidet man lange Wartezeiten an den Grenzposten in den Häfen.
Verstärkung der föderalen Polizei
Dennoch: Die sichtbarste Folge des Brexits werden wohl ellenlange Staus sein. In einem Land, das ohnehin schon zu den Stauweltmeistern gehört. Und das wird eine Herausforderung für die Polizei. Die Verkehrsströme müssen entsprechend geleitet werden, sagt Wald Thielemans von der Föderalen Polizei. Deswegen hat die föderale Polizei in Westflandern unter anderem 30 zusätzliche Beamte eingestellt.
Doch auch hier kann man präventiv tätig werden. Belgien hat zusammen mit Frankreich und den Niederlanden eine Initiative gestartet in Richtung der östlichen EU-Staaten. Die sollen dahingehend sensibilisiert werden, dass man sich da nicht ausschließlich auf die betroffenen Anrainer verlässt. Die Botschaft brachte der amtierende Wirtschaftsminister Wouter Beke in der VRT auf den Punkt: "Steigt erst in eueren LKW, wenn die Zollpapiere schon ausgefüllt sind".
Wie man sieht: Eine ganze Latte von Maßnahmen, um sich auf den Brexit einzustellen. Wohlwissend eben, dass wohl nicht alles vorhersehbar ist. "Ja, der Brexit wird negative Folgen haben", sagt Charles Michel. "Aber wir wollen uns bestmöglich vorbereiten, um dafür zu sorgen, dass die Kontakte mit Großbritannien nach dem Brexit so 'geschmeidig' wie möglich ablaufen".
Roger Pint