"Das Thema Rechtsstaatlichkeit bleibt auch in Zukunft eine Priorität Europas. Deshalb vertraue ich zwei erfahrenen Mitgliedern meines Teams diese Verantwortung an: Didier Reynders als Justizkommissar und Vera Jourova als Vizepräsidentin für Grundwerte und Transparenz", so Ursula von der Leyen am Dienstagmittag bei der Vorstellung ihrer Wunschkommission.
EU-Kommissar für Justiz also. Hinter den Kulissen war Reynders aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung als Finanzminister auch als Kandidat für den Posten des Haushaltskommissar im Gespräch. Als Justizkommissar bleibt dem derzeitigen Informator zumindest die schizophrene Situation erspart, Belgien wegen fehlender Regierung und ohne richtigen Haushalt auf die Finger klopfen zu müssen.
"Der richtige Mann"
Als Justizkommissar erhält Didier Reynders vielleicht kein Topamt, aber trotzdem ein sehr wichtiges. Denn Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie gehe uns alle an, und genau dafür sei Didier Reynders der richtige Mann, sagt Ursula von der Leyen.
Als Außenminister habe Reynders als einer der ersten die Idee eines Screenings und Monitorings gehabt. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollten kontinuierlich auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien kontrolliert werden. Und damit steht es in manchen Ländern nicht gerade zum Besten. In Polen und Ungarn zum Beispiel, wo demokratische Prinzipien wie Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz und Presse- und Meinungsfreiheit Schritt für Schritt untergraben werden und gegen die bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren laufen.
Mit Jourowa den Bock zum Gärtner gemacht?
Viel Arbeit also für Didier Reynders, der seine Zuständigkeit in Zusammenarbeit mit der bisherigen Justizkommissarin, derTschechin Vera Jourowa als Vizepräsidentin für Grundwerte und Transparenz teilt. Ausgerechnet Jurowa tönte es da bei der Pressekonferenz gleich als erstes. Ob man da nicht den Bock zum Gärtner gemacht habe, fragten sich einige sinngemäß.
Erstens ist ihr Heimatland Tschechien Mitglied der informellen Gruppe der Visegradstaaten, zusammen mit Polen, Ungarn und der Slowakei. Also den Staaten, die sich nicht gerade vorbildlich um rechtsstaatliche Prinzipien kümmern und in der Flüchtlingsfrage keinerlei Solidarität gezeigt haben.
Zweitens ist Jourova in ihrem Heimatland Mitbegründerin der populistischen Partei ANO des Multimilliardärs und aktuellen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis gegen den gerade ausgerechnet wegen EU-Subventionsbetrug ermittelt wird.
Ursula von der Leyen bügelte die Bedenken erstmal weg. Zum einen stehe ihr als Osteuropäerin mit Didier Reynders ein westeuropäischer Kollege beiseite. Das garantiere ein Gleichgewicht. Und zweitens seien alle Mitglieder der EU-Kommission in erster Linie überzeugte Europäer.
Gentilone Wirtschaftskommissar, Hogan Handelskommissar
Auch zwei andere Personalien sorgten für hochgezogene Augenbrauen. Zum einen wird der Italiener Paolo Gentilone Wirtschaftskommissar. Angesichts der derzeitigen Haushalts- und Wirtschaftslage Lage in Italien, zumindest eine interessante Besetzung.
Zum anderen wird der bisherige Landwirtschaftskommissar, der Ire Phil Hogan, Handelskommissar und müsste dann ein mögliches Handelsabkommen mit den wahrscheinlich ausgetretenen Briten verhandeln. Wobei ja gerade die Irland-Nordirland Frage und der Backstop den Brexit besonders kompliziert machen.
Ursula von der Leyen sieht keine große Gefahr eines Interessenskonflikts. Hogan habe als Agrarkommissar hervorragende Arbeit gemacht. Und gleiches erwarte sie auch in möglichen Verhandlungen mit Großbritannien.
Vestager und Timmermans als Vizepräsidenten
Flankiert wird Präsidentin Ursula von der Leyen von der Dänin Margarete Vestager und dem Niederländer Frans Timmermans als Executive Vice-Presidents. Ein Zugeständnis ans EU-Parlament, da beide sich bei der Europawahl als Spitzenkandidaten für den Posten des Kommissionsvorsitzenden beworben hatten.
Vestager ist zuständig für Digitales und behält überraschenderweise ihr Ressort Wettbewerb. Frans Timmermans ist zuständig für den europäischen Green Deal. Der Green Deal solle Europas Kennzeichen werden. Und als erster Kontinent der Welt solle Europa klimaneutral werden.
Große Ziele also, die Ursula von der Leyen hat. Ein etwas bescheideneres, nämlich genauso viele Frauen wie Männer in die Kommission zu berufen, hat sie nur knapp verfehlt. 14 Männer und 13 Frauen sind es geworden. In dem Team ist eine Person aus jedem der 27 verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten vertreten.
Ende September müssen sich alle den Fragen des Parlaments stellen, das am Ende von der Leyens Wunschteam auch zustimmen muss. Gut möglich, dass die eine oder andere Personalie noch ausgetauscht werden muss. Die neue EU-Kommission soll ihre Arbeit am 1. November aufnehmen.
Volker Krings